Grasschützer im Aufstand gegen die Zerstörung

MONGOLEN IN CHINA In den Industriegebieten der Inneren Mongolei regt sich zunehmend Unmut

PEKING taz | Im Norden Chinas kommt es in diesen Tagen immer wieder zu Demonstrationen von Mongolen. Mehrere Hundert Hirten und Studenten protestierten in der Inneren Mongolei gegen Ausbeutung, Umweltverschmutzung und die Vorherrschaft der Han-Chinesen. In den nächsten Tagen seien weitere Kundgebungen geplant, teilten Exilorganisationen mit.

Ausgelöst wurden die Proteste durch den Tod eines Hirten in der Region Ujumchin, den ein Lastwagen am 11. Mai überrollte. Der Hirte hatte zusammen mit seinen Freunden versucht, einen Konvoi von Kohlelastern zu stoppen, die über ihr Weideland fuhren und so die empfindliche Grasdecke zerstörten. Die Nachricht vom Tod des Mannes verbreitete sich per Internet und Mobiltelefon, bis sich am 25. Mai im Bezirk Xilinhot Hunderte Hochschüler vor dem Regierungsgebäude versammelten. Sie riefen „Befreit die Mongolei“ und wurden von der Polizei verprügelt, heißt es. Für die Regierung in Peking ist dies eine heikle Entwicklung, nach Unruhen in der uigurischen Region Xinjiang 2009 und in Tibet ein Jahr zuvor.

Die an die unabhängige Mongolei grenzende Innere Mongolei, rund dreimal so groß wie Deutschland, ist reich an Seltenen Erden, Gas und Kohle. Einige Bezirke erwirtschaften mittlerweile mehr als die gewaltigen Industrieparks und Sonderwirtschaftszonen im Süden der Volksrepublik. Vielerorts haben örtliche Funktionäre und Unternehmen Bergwerke erschlossen und Schwerindustrie angesiedelt, mit zum Teil dramatischen Folgen für die Umwelt. Durch massive Zuwanderung sind in der Inneren Mongolei inzwischen rund 80 Prozent der Bewohner Han-Chinesen. Aus Furcht davor, dass die Mongolen mehr kulturelle Eigenständigkeit fordern könnten, beobachtet die Pekinger Regierung scharf alle mongolischen Webseiten und Aktivisten. JUTTA LIETSCH