Todesschiff im Mittelmeer

LIBYEN I Italienische Küstenwache birgt 25 Tote auf einem Flüchtlingsschiff mit hunderten Afrikanern. Sie erstickten offenbar im Maschinenraum

„Ich werde nie vergessen, was ich unter Deck gesehen habe“

FEUERWEHRMANN

LAMPEDUSA/BERLIN dpa/epd/taz | Im heißen Lade- und Maschinenraum eines übervollen und nicht seetauglichen Bootes, das Flüchtlinge aus Libyen nach Italien bringen sollte, sind 25 junge Afrikaner höchstwahrscheinlich durch Motorabgase erstickt. Das berichtete das Hafenamt von Lampedusa am Montag.

Italiens Küstenwache war dem altersschwachen Boot am Vorabend etwa 35 Seemeilen vor der Insel Lampedusa zu Hilfe geeilt, nachdem es ein SOS-Signal gefunkt hatte. „Ich werde nie vergessen, was ich dann unter Deck gesehen habe“, sagte ein Feuerwehrmann schockiert zu dem, was er nach dem Einstieg durch eine schmale Luke wahrnahm.

Die großteils aus Afrika südlich der Sahara stammenden Opfer waren unter Deck zusammengepfercht und starben offensichtlich schon wenige Stunden nach der Abfahrt aus Libyen vor mehr als drei Tagen, heißt es. Die 25 Toten, sämtlich junge Männer, wiesen bereits starke Anzeichen der Verwesung auf. Sie wurden auf dem Kai aufgebahrt. Die Staatsanwaltschaft in Agrigento hat eine Untersuchung eingeleitet und eine Autopsie der Leichen angeordnet.

Nach den ersten Berichten der Rettungsmannschaften gab es nur eine etwa einen halben Meter breite Luke zum Lade- und Maschinenraum. Als die Luft dort nach wenigen Stunden wegen der Abgase des Motors unerträglich stickig wurde, sollen die Männer noch versucht haben, an Deck zu gelangen. Die Menschen oben hätten dies aber verhindert, weil an Deck kein Platz mehr gewesen sei.

Insgesamt hatten sich knapp 300 Menschen auf dem etwa 15 Meter langen Boot zusammengedrängt. 271 Flüchtlinge, darunter 36 Frauen und 21 Kinder, wurden von der Küstenwache nach Lampedusa gebracht.

Im April waren bei einem Schiffbruch 39 Seemeilen südlich von Lampedusa mehr als 250 Flüchtlinge ums Leben gekommen. Italien und vor allem die Insel Lampedusa sind seit dem Beginn der Umwälzungen in Nordafrika erneut die bevorzugte Anlaufstelle für Zehntausende Migranten und Flüchtlinge. Seit Januar strandeten mehr als 43.000 Menschen an italienischen Küsten, über 33.000 auf Lampedusa. Gingen zunächst vor allem Tunesier auf die Reise, sind es heutzutage fast ausschließlich Schwarzafrikaner, die aus Libyen vor dem Krieg fliehen. Etwa 130 Kilometer von der tunesischen Küste entfernt, ist die lediglich 20 Quadratkilometer große Insel Lampedusa von Afrika aus ein „Tor nach Europa“.

Die Bundesregierung plant keine weitere Aufnahme von Flüchtlingen aus Nordafrika. Priorität habe Hilfe vor Ort, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Es solle verhindert werden, dass Anreize für weitere Flüchtlingsbewegungen gesetzt würden. Seit Beginn der Unruhen in Nordafrika hat Deutschland ein einziges Mal die Aufnahme von 150 afrikanischen Flüchtlingen aus Malta zugesagt.