Luftangriffe auf PKK-Lager im Nordirak

TÜRKEI Reaktion auf vermehrte Angriffe der kurdischen PKK-Guerilla, zuletzt auf einen Konvoi des türkischen Militärs am Mittwoch. Dabei hatte es 9 Tote gegeben. Jetzt droht weitere Eskalation

VON JÜRGEN GOTTSCHLICH

BERLIN taz | Der Krieg ist in die kurdischen Berge zurückgekehrt. In drei Wellen flog die türkische Luftwaffe in der Nacht zu Donnerstag und am Morgen Angriffe auf 60 Ziele im Nordirak. Nach Angaben eines Militärsprechers wurden dabei fünf Lager der türkisch-kurdischen PKK-Guerilla im Nordirak angegriffen. Drei sind nur wenige Kilometer hinter der Grenze, die anderen beiden liegen in den Kandil-Bergen, rund hundert Kilometer in den Nordirak hinein, wo das PKK-Hauptquartier ist.

Die Luftangriffe sind eine Reaktion auf wiederholte Angriffe der PKK auf türkische Soldaten in den letzten Wochen. Letzter Auslöser war ein Angriff auf einen Militärkonvoi am Mittwochmorgen in der Nähe von Hakkari, der Provinzhaupt im Südostzipfel der Türkei, unmittelbar an der irakisch-iranischen Grenze. Dabei wurde eine 100 Kilo Bombe ferngezündet und anschließend Soldaten unter Beschuss genommen. Es starben acht Soldaten und ein ihnen verbündeter kurdischer Dorfschützer. Insgesamt starben im letzten Monat bei PKK-Angriffen 30 Soldaten.

Die Nachricht erreichte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan auf einer Konferenz der islamischen Liga in Istanbul, wo gerade über Hilfe für Somalia diskutiert wurde. Erdogan kontaktierte den Generalstab und verlangte eine harte Antwort. „Die Zeit des Redens ist vorbei“, sagte er danach vor der Presse, „die Angreifer werden einen hohen Preis bezahlen.“

Die türkischen Jets waren von Diyarbakir gestartet und hatten ihre Ziele im Irak mit Hilfe amerikanischer Satelliteninformationen angegriffen. Das türkische Militär machte zunächst keine Angaben über die Ergebnisse der Angriffe. Laut der kurdischen Nachrichtenagentur Firat gab es keine toten oder verletzten PKK-Kämpfer. In verschiedenen Städten in den kurdischen Gebieten der Türkei kam es am Donnerstagmorgen zu Protesten gegen die Luftangriffe. Reaktionen der nordirakischen kurdischen Regionalregierung unter Massud Barsani gab es nicht. Er war wahrscheinlich von Ankara vorab informiert worden.

Vor den Luftangriffen hatte die PKK ihre Überfälle auf Militärpatrouillen systematisch verschärft, nachdem es zuvor relativ lange ruhig war. Die Spannungen eskalierten, nachdem nach den Wahlen im Juni 30 kurdische Abgeordnete das Parlament boykottierten, weil weiteren 6, gegen die ermittelt wird, der Einzug ins Parlament verwehrt worden war. Eigentlich hatte die türkische Öffentlichkeit gehofft, dass nach dem großen Erfolg der kurdischen BDP bei den Wahlen jetzt endlich das Parlament zum Ort einer politischen Lösung des jahrzehntealten Konflikts um die kurdische Minderheit in der Türkei werden würde.

Schon 2009 hatte die AKP-Regierung einmal eine Friedensinitiative gestartet. Die wurde aber gestoppt, als eine erste Gruppe PKKler, die nach einer Amnestiezusage aus dem Nordirak zurückkehrt war, im Triumphzug durch die kurdisch besiedelten Gebiete reiste. Das führte zu heftigen Reaktionen in der türkischen Mehrheitsgesellschaft.

Jetzt sieht alles nach einer weiteren Eskalation aus. Der Nationale Sicherheitsrat in Ankara diskutierte gestern neue Maßnahmen. Und der militärische Führer der PKK, Murat Karayilan, kündigte an, man werde die Türkei in eine „Hölle“ verwandeln.

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