Politiker erweisen sich erneut als käuflich

GROSSBRITANNIEN Gier schlägt Moral: Zwei prominente Exaußenminister sind der Presse auf den Leim gegangen. Für 5.000 Pfund im Monat war Rifkind zu haben; Straw forderte 5.000 Pfund pro Tag

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Bei Geldgier bleibt gesundes Misstrauen auf der Strecke. Wieder einmal sind britische Politiker in eine Falle getappt, die ihnen der Fernsehsender Channel 4 und die Zeitung Daily Telegraph gestellt haben: Sie boten einer chinesischen Firma gegen Honorar an, ihre Verbindungen in deren Sinn zu nutzen.

In diesem Fall handelt es sich allerdings nicht um irgendwelche Hinterbänkler, sondern um zwei Spitzenpolitiker: Der Labour-Abgeordnete Jack Straw war unter Tony Blair und dessen Nachfolger Gordon Brown Außen- und Justizminister, Malcolm Rifkind von den Tories war in John Majors Kabinett Verteidigungs- und Außenminister. Zurzeit ist er Vorsitzender des Geheimdienst- und Sicherheitsausschusses im Unterhaus.

Straw sagte, sein üblicher Preis sei 5.000 Pfund pro Tag (rund 6.800 Euro). Er brüstete sich damit, dass er maßgeblich daran beteiligt war, EU-Richtlinien zugunsten einer Rohstofffirma zu ändern. Außerdem habe er „Charme und Drohungen“ benutzt, um den ukrainischen Premierminister zu einer Gesetzesänderung im Sinne derselben Firma zu bewegen. Ein Sprecher der Labour Party bezeichnete die Enthüllungen als „beunruhigend“.

Rifkind, der 1997 geadelt wurde, gab damit an, dass er Verbindungen zu jedem britischen Botschafter in der ganzen Welt herstellen könne. Darüber hinaus könne er im Auftrag der chinesischen Firma Fragen an Minister stellen, ohne die Identität der Firma preiszugeben. Pech, dass diese Firma in Hongkong, die nach Europa expandieren wollte, eine Erfindung der Journalisten war.

Rifkind verlangte ein Jahressalär von 60.000 Pfund (rund 81.600 Euro). „Ich habe viel Freizeit, ich lese viel“, sagte er zu den vermeintlichen Firmenvertretern. „Da ich nicht mehr Minister bin oder Vollzeit für jemanden arbeite, kann ich über meinen Tag selbst bestimmen. Ich bin selbstständig beschäftigt. Ich muss mein Geld selbst verdienen.“ Die 67.060 Pfund im Jahr, die er als Abgeordneter bekommt, sind offenbar nicht der Rede wert. Dazu kommt die Prämie für den Ausschussvorsitz. Die Bürokosten, die Gehälter von Angestellten und die Kosten für eine Wohnung in London oder im Wahlkreis werden ebenfalls aus Steuergeldern bezahlt.

Straw und Rifkind haben sich inzwischen beim Unterhausausschuss für Verhaltensregeln gemeldet. Deshalb können sie behaupten, dass sie gegen keine Regeln verstoßen haben, da sie ihre Aktivitäten ja offiziell angemeldet haben. Ihre politischen Karrieren dürften dennoch beendet sein. Straw ist aus der Labour-Fraktion ausgetreten und wird im Mai nicht mehr kandidieren. Rifkind wurde am Montagmittag sogar offiziell aus der Tory-Fraktion ausgeschlossen. Es ist schon das dritte Mal, dass Abgeordnete allzu bereitwillig in die Falle gelaufen sind. Es gibt aber noch Lichtblicke im Unterhaus: Channel 4 und der Daily Telegraph hatten bei zwölf Abgeordneten angefragt, ob sie Interesse an einem Beraterposten hätten. Sechs antworteten gar nicht, einer beschied den „Chinesen“, seine Kontakte seien nicht käuflich.