Rechte schlagen zu, Polizei schweigt

An Himmelfahrt gab es zwei Übergriffe von Rechtsradikalen. Die Tatorte: eine S-Bahn am Mexikoplatz und ein Baggersee in Weißensee. Ein Schwerverletzter liegt noch im Krankenhaus. Der Polizei war das keine Meldung wert

Glaubt man dem Polizeipräsidium, verlief der Himmelfahrtstag am vergangenen Donnerstag normal. Rechte Gewalt? Fehlanzeige. Dabei gab es nach Recherchen von taz und RBB zwei schwere Angriffe mit Verletzten, an denen Nazis beteiligt waren.

Fall Nummer eins: Kiessee in Arkenberge (Pankow-Weißensee). Hier überfallen Rechtsradikale eine Freundesgruppe, die den Tag am Baggersee verbracht hatte. Ein 25-Jähriger wurde dabei schwer verletzt. Er wird seither im Krankenhaus wegen Jochbeinbruch und Gesichtslähmungen behandelt.

„Die Polizei hat sich nach dem Angriff überhaupt nicht für uns interessiert“, sagt Matthias C. (Name geändert). Gegen Abend sei es zu ersten Diskussionen mit „jungen Rechten“ am Lagerfeuer gekommen. „Aber da blieb noch alles friedlich.“ Matthias C. und mehrere seiner Freunde legten sich zum Schlafen in zwei Kleinbusse. Gegen 3 Uhr nachts wurde Matthias C. geweckt. Ein Freund berichtete, dass er von einem Rechten geschlagen worden sei.

„Eine Minute später stürmte eine Glatze in den Bus rein. Der kräftige Mann schlug erst auf meinen Freund ein und zerschlug dann von innen die Busscheiben“, berichtet C. Gleichzeitig seien von draußen Flaschen gegen den Bus geflogen. Die Angreifer warfen einen Grill in den zweiten Bus, in dem ebenfalls Menschen schliefen, und verschwanden anschließend.

Matthias C. verständigt die Polizei, die gegen 4.30 Uhr vor Ort eintraf. „Die haben keine Spuren gesichert und auch keinen Krankenwagen für unseren verletzten Freund gerufen“, kritisiert Matthias C. Die Gruppe brachte den verletzten 25-Jährigen selbst ins Krankenhaus. Auf Nachfragen bei der Polizeidirektion 1 in Pankow-Weißensee erhielt Matthias E. den Tip, die Spuren von Axtschlägen an seinem Bus doch selbst zu fotografieren.

Fall Nummer zwei: S-Bahnhof Mexikoplatz: „Wir hassen Gott und die Juden“, schrien drei Männer, die von Zeugen als Naziskins beschrieben werden, gegen 18 Uhr in einer S-Bahn Richtung Stadtmitte. Einer der Fahrgäste, ein 37-Jähriger, fordert das rechte Trio laut auf, derartige Sprüche zu unterlassen. Die Antwort: Der Mann erhält Schläge ins Gesicht. Nun zeigen andere Fahrgäste Zivilcourage. Die Notbremse wird gezogen und die Polizei alarmiert.

Den Beamten gelingt es, einen der Täter, einen polizeibekannten 33-Jährigen aus Weißensee vor Ort festzunehmen. Gegen den Mann ermittelt nun die Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz. Bei dem Angriff trug er ein offenes Messer. Die anderen Täter sind flüchtig.

„In beiden Fällen gibt es Hinweise auf eine rechtsextremistische Motivation der Täter,“ räumte gestern ein Polizeipressesprecher ein. Ermittelt werde allerdings wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung.

HEIKE KLEFFNER