Frühjahrs-Schwung fällt aus

Arbeitslosigkeit im Vorjahresvergleich erneut gestiegen. 18,4 Prozent der Berliner sind arbeitslos gemeldet. Besonders dramatisch: Immer mehr Menschen sind länger als zwölf Monate ohne Job

von RICHARD ROTHER

Der eigentlich übliche Frühjahrsschwung auf dem Arbeitsmarkt verpuffte in diesem Jahr fast wirkungslos. Ende Mai waren in Berlin mehr als 311.000 Menschen arbeitslos gemeldet, nur rund 4.500 weniger als im Vormonat April, teilte das Landesarbeitsamt gestern mit. Zum Vergleich: Vor einem Jahr waren rund 27.000 Menschen weniger arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote stieg damit binnen Jahresfrist um 1,6 Prozentpunkte auf 18,4 Prozent; lediglich 9.000 offene Stellen waren gemeldet.

Das Arbeitsamt führte den Rückgang gegenüber dem Vormonat vor allem auf saisonale Gründe zurück. Bei Ausschluss der jahreszeitlich bedingten Faktoren stieg die Zahl der Arbeitslosen in der Gesamtregion Berlin-Brandenburg sogar. Die Zunahme sei allerdings geringer ausgefallen als in den Vormonaten.

Dramatisch vor allem: Immer mehr Menschen in Berlin sind langzeitarbeitslos, also demnächst von der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe betroffen. Mittlerweile sind in Berlin knapp 113.000 Menschen länger als zwölf Monate arbeitslos gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Anstieg um 18,3 Prozent. Die Zahl der älteren Arbeitslosen über 50 Jahren erhöhte sich innerhalb eines Jahres um 4 Prozent auf rund 71.600, die Zahl der jüngeren Arbeitslosen unter 25 Jahren um 5,2 Prozent auf 34.781.

Angesichts der dramatischen Zahlen plädierte der DGB-Chef der Region, Dieter Scholz, für eine Aufstockung der Arbeitsförderung. Aus seiner Sicht rächen sich jetzt die „empfindlichen Einschnitte“ bei Fortbildung und Umschulung. Die Zahl der geförderten Erwerbslosen sei in Berlin und Brandenburg im Vergleich zum Vorjahr um 17.000 zurückgegangen.

Zugleich befürchtet Scholz, dass sich die Situation mit den Plänen im Zuge der Agenda 2010 weiter verschärfen werde. Es gehöre wenig Prophetie dazu, zu sagen, dass die Zahl der Arbeitslosen in diesem Jahr um rund 50.000 steigen werde. Der „Befreiungsschlag“ könne nur über eine „aktive antizyklische Finanzpolitik“, mehr Investitionen über eine Gemeindefinanzreform und massiven Mitteleinsatz bei der Arbeitsförderung gelingen.

Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) betonte, seine Behörde habe bereits „ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf den Weg gebracht“, mit dem die Situation verbessert werden soll. Dazu gehörten Kleinstkredite für kleine und mittlere Unternehmen und Darlehen für bislang arbeitslose Existenzgründer sowie Genossenschaften. Zugleich unternehme der Senat enorme Anstrengungen, um zusätzliche Ausbildungsplätze zu finanzieren. Auch das Programm zur Entbürokratisierung und Konzentration der Wirtschaftsfördereinrichtungen werde zügig vorangetrieben.