PDS doch nicht gegen Rot-Rot

Berliner PDS bekommt Rückenwind: Auf dem Bundesparteitag können sich Kritiker von Rot-Rot nicht durchsetzen. Gysi verteidigt Solidarpakt. Landesverband ist wieder im Bundesvorstand vertreten

von ROBIN ALEXANDER

Die Berliner PDS geht gestärkt aus dem Bundesparteitag hervor. Nicht nur wurden von den Delegierten Anträge verworfen, die explizit und implizit zum Bruch der Koalition mit der SPD aufriefen: Zuletzt war sogar ein Sozialist für die Regierungsbeteiligung, der vor knapp einem Jahr selbst aus dem rot-roten Senat floh: Gregor Gysi ergriff am Ende des Parteitages das Wort.

Neben bundespolitischen Forderungen und Bemerkungen zum allgemeinen Erscheinungsbild der Partei nahm Gysi auch zur Landespolitik Stellung. Er lobte das Angebot des Senats zum Solidarpakt im öffentlichen Dienst: Den Gewerkschaften sei mit Arbeitszeitreduzierung und einer Beschäftigungsgarantie ein gutes Angebot gemacht worden. Gysi: „Ihr hättet die sichersten Arbeitsplätze Berlins bekommen!“ Der kurzzeitige Wirtschaftssenator warb zudem für „Solidarität mit unserer Senatorin und unseren Senatoren“.

Dabei hatten die Berliner – anders als auf dem letzten PDS-Parteitag im thüringischen Gera – an diesem Wochenende im Tempodrom durchaus Unterstützung für ihren Kurs gefunden. Ein Antrag von Ellen Brombacher, Sarah Wagenknecht und anderen, der die Senatspolitik kritisierte, wurde bis zur Unkenntlichkeit entschärft. Die Kommunistinnen hatten geschrieben: „Der Bundesparteitag erwartet von der PDS-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und den Senatoren, dass sie dem im Ergebnis der Haushaltsklausur vom 20. Juni 2003 geschnürten Pakt sozialer Grausamkeiten nicht zustimmt.“ Der Senat nehme „eine Vorreiterrolle“ nicht nur bei der „Aufkündigung von Tarifverträgen“, sondern auch „beim Angriff auf erkämpfte Bildungsstandards“ ein.

Bei der ungewöhnlichen Verhandlung eines noch nicht beschlossenen Haushaltsentwurfs eines Landes auf einem Bundesparteitag spielte Wirtschaftssenator Harald Wolf den Part des Verteidigers. Im Haushalt stünden auch „6.000 ausfinanzierte Ausbildungsplätze“ und die Förderung von Genossenschaften als Alternative zur Ich-AG nach Hartz. Zudem habe man der Berliner Immobilienwirtschaft den Subventionshahn zugedreht.

Stakkatobeifall brandete hier auf, der Ehrenvorsitzende der PDS, Hans Modrow, rührte allerdings keine Hand. Sahra Wagenkecht bestritt den objektiven Zwang einer Haushaltsnotlage. Diese sei vielmehr „hausgemacht von der SPD im Bund“. Sie sagte: „Das Argument ‚Ohne uns wird es noch schlimmer‘ hat die Grünen dahin gebracht, wo sie jetzt sind.“

Anders als der neu gewählte Vorsitzende Lothar Bisky, der auf Ausgleich bedacht war, stritten die Berliner an diesem Wochenende im Tempodrom pointiert für ihre Politik. Schon im Begrüßungsreferat sagte Partei- und Fraktionschef Stefan Liebich, er habe „keine Lust mehr“ auf eine PDS als „Traditionsverein, dessen Mitglieder aus dem Fenster der DDR schauen und die Bundesrepublik dafür kritisieren, dass sie nicht so ist, wie sie sich die DDR erträumten“.

Die wichtigste Rede zur rot-roten Koaltion hielt jedoch ein Berliner, der sich gar nicht darauf vorbereitet hatte: Kultursenator Thomas Flierl. Viele Delegierte und noch mehr Zuhörer auf den Rängen artikulierten die Befürchtung, er wolle ihnen mit seinem „Studienkontenmodell“ in Wahrheit Studiengebühren unterjubeln. Ein Vertreter der Globalisierungskritiker Attac schimpfte: „Das ist Marktdikatur. Liebe Senatsgenossen, hört auf, neoliberale Zwangsvollstrecker mit menschlichem Antlitz zu sein.“

Flierl konterte, sein Modell könne zu einer gesetzlichen Grundlage führen, bei der das Erststudium dauerhaft gebührenfrei bleibe. „Der Sinn der PDS kann nicht darin bestehen, Tabus zu feiern und Strukturkonservatismus zu verteidigen“, betonte der Wissenschaftssenator.

Die Berliner, die sich nach dem Geraer Parteitag wie Geächtete fühlten, sind zurück in der PDS – nicht nur programmatisch, sondern auch personell. Ihr Vorschlag für den Bundesvorstand, Sozialexpertin Elke Breitenbach, fand eine Mehrheit. Noch in Gera wollten die Genossen keinen Berliner in ihrer Führung mehr sehen.

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