Berliner Polizei knüppelt zurück

Unter der Hand üben Polizisten scharfe Kritik an dem Einsatz in Rostock, bei dem 158 Berliner Beamte verletzt wurden. Grüne: Berlin muss seine Erfahrungen mit Deeskalationskonzepten einbringen

VON PLUTONIA PLARRE

In der Berliner Polizei brodelt es. Die zur Absicherung des G-8-Gipfels eingesetzten Kollegen aus Berlin seien bei den Krawallen am Samstag in Rostock regelrecht verheizt worden, lautet die Kritik an der Einsatzleitung in Mecklenburg-Vorpommern, die aber nur hinter vorgehaltener Hand geäußert wird. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Polizeipräsident Dieter Glietsch verteidigten gestern im parlamentarischen Innenausschuss indes das Polizeikonzept bei der Demo. Es seien keine massiven Fehler von der Polizei gemacht worden, sagte Glietsch.

Zugleich wies der Polizeipräsident Medienberichte zurück, wonach ein bayerischer Einsatzleiter während der Krawalle durch einen Berliner Kollegen ersetzt wurde. „Das ist absoluter Unsinn“, so Glietsch. Die Polizei sei dem Ansturm von Gewalt zunächst nicht gewachsen gewesen und habe sich deshalb zurückgezogen und neu geordnet.

Bei den Krawallen am Samstag sind ersten Angaben zufolge 520 Demonstranten und 433 Beamte verletzt worden, von Letzteren kommen 158 aus Berlin. Von den 30 schwerverletzten Polizisten sind 16 Berliner. Vom 1. Mai in Berlin seien die Beamten zwar einiges gewohnt, sagte Glietsch gestern. Aber ein solches Ausmaß an Brutalität hätten sie seit Jahrzenten nicht erlebt. Helme seien unter Gehwegplatten zersplittert, ein Beamter liege mit Verdacht auf Gehirnerschütterung im Krankenhaus, Finger seien gebrochen. Dass sich die Situation so entwickelt habe, könne aber nicht einzelnen Polizeiführern oder der Einsatzleitung angelastet werden.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert gestern eine „schonunglose Untersuchung aus Berliner Sicht“. Wenn der G-8-Gipfel vorbei sei, müsse geklärt werden, ob ein Führungsfehler im Zusammenspiel der Polizeien der Länder und des Bundes zu der hohen Zahl von verletzten Berliner Beamten geführt habe, sagte GdP-Sprecher Klaus Eisenreich. Die Stimmung der Berliner Beamten in Mecklenburg-Vorpommern beschrieb Eisenreich mit einem Wort: „beschissen“. Die gesamte Ausrüstung sei zertrümmert. „Wer jetzt noch von Deeskalation schwafelt, steht nicht in der ersten Reihe.“

Genau über Deeskalation müsse aber nach dem Einsatz vom Samstag mit Nachdruck gesprochen werden, forderte der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann, im Innenausschuss. „Berlin ist gefordert, seine Erfahrung auf dieser Ebene in Rostock einzubringen.“ Auch der CDU-Abgeordnete Peter Trapp vermisste in Rostock das Bemühem um Deeskalation – er meinte damit aber, dass es in Rostock keine Vorkontrollen durch die Polizei gegeben habe. Er habe gehört, dass Demonstranten Rucksäcke voll Steine in den Demozug geschleust hätten.

In den Augen von Udo Wolf, Innenpolitiker der Linkspartei, hat die „Aufmuskelung“ des Staates im Vorfeld des G-8-Gipfels zu einem Aufheizen der Stimmung in der linksextremen Szene geführt. Wolf meinte damit die Hausdurchsuchungen und die Entnahme von Geruchsproben im Zusammenhang mit Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen Altautonome.

Innensenator Körting indes appellierte an die Demonstranten in Mecklenburg-Vorpommern, sich von gewaltbereiten Aktivisten zu distanzieren. „Auch räumlich“, damit die Polizei in Zukunft besser durchgreifen könne.

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