Öffentliche Beschäftigungsförderung: Arbeitslose verzweifelt gesucht

Die Sozialsenatorin befürchtet, nicht genug geeignete Arbeitslose für den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor zu finden, und will die Kriterien für Bewerber lockern. Das kostet aber mehr Geld.

Anspruchsvoller Job: Nur wenige Arbeitslose erfüllen die strengen Kriterien des Förderprogrammes JobPerspektive. Deshalb will der Senat die Bedingungen jetzt lockern Bild: AP

Sozialsenatorin Heidi Knake-Wernker (Linkspartei) fürchtet, dass auf dem öffentlichen geförderten Beschäftigungssektor (ÖBS) bald Personalmangel herrscht. 10.000 tariflich entlohnte Stellen will der rot-rote Senat bis zum Ende der Legislaturperiode schaffen. Doch Knake-Werner sieht Probleme, die passenden Leute für die Arbeitsplätze zu finden. "Für die Arbeit mit älteren Menschen ist nicht jeder geeignet, da sind soziale Kompetenzen gefragt", sagte Knake-Werner am Mittwoch.

Deshalb will sie den streng reglementierten Beschäftigungssektor ab Januar auch für gut vermittelbare Langzeitarbeitslose öffnen und dazu das Arbeitsmarktprogramm Kommunal-Kombi einsetzen. "Der Nachteil ist, dass dieses Programm uns mehr kosten wird", räumte Knake-Werner ein.

Im ÖBS sollen Menschen eine unbefristete Stelle finden, die in der freien Wirtschaft keine Chancen haben, etwa weil sie zu lange arbeitslos oder zu alt sind. 1.000 solcher Stellen sind nach Senatsangaben bereits entstanden. Die ÖBS-Angestellten schieben Rollstuhlfahrer durch die Marzahner Gärten oder backen Plätzchen mit Steglitzer Senioren. Dafür bekommen sie 1.300 Euro brutto pro Monat. 800 Euro davon zahlt das Bundesarbeitsministerium aus dem Programm JobPerspektive, 500 Euro legt Berlin drauf. Der Nachteil: Nur Menschen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen, wie es im Jargon der Jobcenter heißt, dürfen gefördert werden. Anders beim Kommunal-Kombi-Programm: Die Vermittelten müssen außer 24 Monate Arbeitslosigkeit keine erschwerenden Eigenschaften aufweisen. Doch zahlt der Bund statt 800 Euro nur 500 Euro Lohnzuschuss.

Da Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) nach Einschätzung der Sozialsenatorin keinen Cent mehr als die vorgesehenen 84 Millionen Euro für den ÖBS herausgeben wird, sucht Knake-Werner nach Partnern: Bezirken, kommunalen Betrieben und freien Trägern. Die Wohnungsbaugesellschaft DeGeWo habe Interesse gezeigt, ihren Consierge-Dienst ÖBS-gemäß fördern zu lassen, so Knake-Werner.

Auch für die Chefin der Berliner Tafel, Sabine Werth, wäre eine Beschäftigung von fünf Arbeitnehmern im Rahmen des Kommunal-Kombis sehr gut denkbar. In Frage käme ein Einsatz im Fahrdienst oder als Hausmeister, also in Bereichen, in denen derzeit Ehrenamtliche, 1-Euro-Jobber und Teilnehmer des Programms "Arbeit statt Strafe" tätig sind. "Solche Maßnahmen sind ständig vom Auslaufen bedroht. Mit dem Kommunal-Kombi könnten wir langfristig Arbeitsplätze schaffen."

Sozialstadträtin Sibyll Klotz (Grüne) sieht für ihren Bezirk Schöneberg-Tempelhof dagegen keine Schwierigkeiten, die ursprünglichen Vorgaben umzusetzen: "Wir haben genügend Projekte und Leute." Grundsätzlich überrasche es sie aber nicht, dass der Senat jetzt in Schwierigkeiten sei, den ÖBS personell auszustatten: "Der Senat hat sich über die strengen Anforderungen an die Zielgruppe wenig Gedanken gemacht."

Die Industrie- und Handelskammer lehnt den ÖBS generell ab: "Dadurch werden reguläre Arbeitsplätze vernichtet", sagt Sprecher Holger Lunau. Um Langzeitarbeitslose langfristig in Arbeit bringen, seien Weiterbildungsmaßnahmen effektiver.

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