Sarrazin will Verluste privatisieren

Bei der Aufarbeitung des Berliner Bankenskandals legt sich Finanzsenator Thilo Sarrazin mit den Anlegern der Immobilienfonds an. Er will ihnen weit weniger von der garantierten Rendite zugestehen. Anleger setzen sich zur Wehr

Hätte lediglich ein einzelner Ermittler den Berliner Bankenskandal aufgearbeitet – er säße noch in 119 Jahren daran. Wie die Senatsjustizverwaltung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion mitteilte, fielen bei der staatsanwaltlichen Ermittlungsgruppe Bankgesellschaft bei Staatsanwälten 30 Personaljahre und bei Wirtschaftsreferenten 20 Personaljahre an. Ein Personaljahr entspricht der jährlichen Arbeitsleistung eines Beschäftigten. Die Kriminalpolizei war mit einem Arbeitsanteil von 71 Personaljahren, deren Wirtschaftsreferenten mit einem Anteil von 5 Personaljahren beteiligt. DDP

Getreu dem Motto „Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert“ scheint es in diesen Tagen dies- und jenseits des Atlantiks gang und gäbe zu sein, dass für die horrenden Zockerverluste der Investorenbanken die Steuerzahler blechen müssen. Umso symbolträchtiger, wenn sich Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) offensichtlich für das Gegenteil einsetzt: Wie die Berliner Zeitung berichtet, sollen für den Bankenskandal von 2001 vor allem die Anleger bluten, die ihr Geld in die Risikofonds der damaligen Bankgesellschaft gesteckt haben. Die Belastung der Steuerzahler will Sarrazin hingegen möglichst gering halten.

Auf einen Vergleichsbetrag in Höhe von 305 Millionen Euro hätten sich Vertreter des Landes mit den Immobilienfonds geeinigt, sagte Stefan Siebner, Sprecher der Berliner Immobilien (BIH), einer der landeseigenen Nachfolgeunternehmen der ehemaligen Bankgesellschaft Berlin, zur taz. Das wäre weit weniger, als selbst die größten Skeptiker bei der Aufarbeitung des Bankenskandals befürchtet haben.

Zumindest einige Anleger wollen sich mit dieser Summe aber nicht zufrieden geben. Der Anlegerschützer Wolfgang Schirp, der rund 4.000 der insgesamt noch 15.000 vermuteten Anleger vertritt, behauptet, dass bei den Fonds tatsächlich Forderungen von 1,1 Milliarden Euro aus den Garantien der Bankgesellschaften aufgelaufen seien. Aus seiner Sicht sind die Verhandlungen über einen Vergleich zwischen Land und Anlegern daher gescheitert.

Der Bankenskandal hatte bis zum Jahr 2001 einen finanziellen Schaden angerichtet, von dem sich das Land Berlin bis heute nicht erholt hat. Die mehrheitlich landeseigene Bankgesellschaft hatte jahrelang in verlustreiche Immobilien investiert und war am Ruin nur knapp vorbeigeschrammt. Um unter anderem auch 14.000 Arbeitsplätze zu retten, musste Berlin 1,8 Milliarden Euro aus der Landeskasse zuschießen. Zudem übernahm das Land eine Bürgschaft über 21,6 Milliarden Euro zur Abschirmung von Altrisiken, für die bis maximal 2032 ebenfalls der Steuerzahler haftet.

Während die Bank im Juni 2007 an den Deutschen Sparkassen- und Giroverband für 5,3 Milliarden Euro verkauft wurde, blieben die verlustreichen Immobiliengeschäfte in Landeseigentum. Um die garantierte Rendite, die den Anlegern in den 90er-Jahren zugesichert wurde, wird aktuell gestritten. Aber auch über die Höhe des Gesamtschadens, den der Bankenskandal für das Land Berlin verursacht hat, herrscht weiter Unklarheit. Die Senatsfinanzverwaltung beziffert die Altrisiken der Bankgesellschaft auf rund 4,6 Milliarden Euro, wovon 2,1 Milliarden Euro bereits gezahlt seien.

Peter Grottian von der Initiative Bankenskandal hingegen geht von einem sehr viel höheren Risiko aus. „Sarrazin tut so, als ob er über den Bankenverkauf in der Lage ist die Verluste einigermaßen abzudecken.“ Unter 7 Milliarden sei der Schaden nicht zu beheben, so der inzwischen emeritierte FU-Politologe. Grottian: „Sarrazin tut alles, die wahren Verhältnisse zu verschleiern.“ FELIX LEE