Flüchtlingspolitik: Abschieben jetzt familienfreundlicher

Die Hoffnung, dass das umstrittene Flüchtlingsheim in der Motardstraße geschlossen wird, wurde nicht erfüllt. Stattdessen sollen geduldete Migranten nun auch in Lichtenberg untergebracht werden - vor allem Familien.

Zwischen Fabrikschornsteinen und Förderbändern befindet sich die Motardstraße 101 a. Dort betreibt die Arbeiterwohlfahrt Mitte die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (EAE). Antirassistische Gruppen fordern seit Jahren die Schließung der Einrichtung und nennen die Motardstraße 101 a in Spandau Berlins erstes Ausreisezentrum. Ende dieses Jahres läuft der Mietvertrag für die Motardstraße aus. Für die zuständige Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Hedi Knake-Werner (Die Linke), wäre dies eine gute Gelegenheit gewesen, die Einrichtung zu schließen. Das war zumindest die Hoffnung von antirassistischen Gruppen.

Doch die Motardstraße bleibt über den 31.Dezember 2008 hinaus erhalten, wie die Pressesprecherin der Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Karin Rietz, der tageszeitung bestätigte. Zur Begründung beruft sie sich auf das Bundesrecht. "Jedes Bundesland muss nach dem Asylverfahrensgesetz Paragraf 44 ff. zwingend eine solche Erstaufnahmeeinrichtung vorhalten." In solchen Einrichtungen werden nach Paragraf 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes geduldete MigrantInnen untergebracht, denen die Behörden vorwerfen, lediglich aus finanziellen Gründen nach Deutschland eingereist zu sein.

Durch die Antwort auf eine Kleine Anfrage des Berliner Abgeordnetenhaus Benedikt Lux (Grüne) war vor Kurzem bekannt geworden, dass vom Senat sogar eine Ausweitung auf andere Einrichtungen geplant ist. "Der Senat beabsichtigt, den Personenkreis nicht mehr nur ausschließlich am Standort der EAE Motardstraße, sondern zusätzlich an einem weiteren Standort unterzubringen, der insbesondere auch für Familien gut geeignet ist", hieß es in der Antwort von Petra Leuschner von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales.

"Es gibt keine neue EAE in Berlin", erklärte dazu Karin Rietz. "Lediglich einige weitere Plätze in einer bestehenden Unterkunft in Lichtenberg wurden hinzugewonnen, um so eine familiengerechte Unterbringung zu gewährleisten." Die Kritik von antirassistischen Gruppen an den Einrichtungen wies Rietz zurück. Bei den Unterkünften in Lichtenberg handelt es sich um die von der Firma Plan-Invest betriebene Einrichtung in der Degnerstraße 62. "Die Einrichtung verfügt über eine Kita, liegt mitten in einem Wohngebiet und ist sehr gut an das Verkehrsnetz angebunden." Damit entspräche der Berliner Senat auch den Forderungen von Flüchtlingsorganisationen, die Bedingungen für Flüchtlinge weiter zu verbessern.

Ein Sprecher des Bündnisses gegen Lager hält an seiner Kritik fest. "Die neue Einrichtung bedeutet eine Erweiterung des Sachleistungsprinzips auch auf Familien. Diese Menschen erhalten kein Bargeld, um selbst einzukaufen, sondern nur Fertiggerichte und ein Taschengeld von 40 Euro im Monat." Zudem bedeuteten die neu hinzugewonnenen Plätze eine Erweiterung des Berliner Ausreisezentrums, betont der Sprecher.

Jens-Uwe Thomas vom Berliner Flüchtlingsrat sieht in den neuen familiengerechten Plätzen in der Degnerstraße ebenfalls keinen Fortschritt. Damit würden Maßnahmen, von denen bisher vor allem alleinstehende Flüchtlinge betroffen waren, auf ganze Familien ausgeweitet, sagt Thomas. Auch die Vertragsverlängerung für die Motardstraße 101 a hält Thomas allein schon wegen der ungünstigen Lage in einem Industriegebiet aus Sicht der Flüchtlinge für "keine optimale Lösung".

In einigen Bezirksparlamenten unterstützt man inzwischen die Forderungen der AntirasstInnen. So haben die Bezirksverordnetenversammlungen von Pankow und Marzahn-Hellersdorf den Senat aufgefordert, von Einweisungen von Menschen in die Motardstraße Abstand zu nehmen.

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