Sat.1 ist nicht mehr verliebt in Berlin

Nun ist es beschlossen: Sat.1 zieht von Berlin in die Münchner Konzernzentrale. Zu spät hat sich der Senat für den Verbleib des Privatsenders in der Hauptstadt eingesetzt – und ist erleichtert, dass es „nur“ um 350 Mitarbeiter gehe

Bislang fürchtete der Senat um 500 bis 600 Arbeitsplätze. So viel könnte der am Donnerstag verkündete Umzug des Privatsenders Sat.1 und weiterer Tochterunternehmen der Sendergruppe ProSiebenSat.1 nach München insgesamt kosten. Doch der Senat freut sich, dass nach seiner Rechnung nur 350 Mitarbeiter betroffen sind. Richtig ist: Nach Konzernangaben sollen 350 Mitarbeiter nach München wechseln, 225 Stellen sollen konzernweit aber ganz wegfallen. In Berlin bleiben nur die für die Sat.1-Zentralredaktion sowie den Nachrichtenkanal N 24.

Über Umzug und Stellenabbau, der den von Milliardenschulden gedrückten TV-Konzern entlasten und die Rendite der hinter der AG stehenden Finanzinvestoren weiter steigern soll, war seit Monaten spekuliert worden. Doch erst vor einer Woche rührte sich der Senat: Anlässlich einer Protestkundgebung der Sat.1-MitarbeiterInnen auf dem Gendarmenmarkt gab es vergangenen Freitag eine Solidaritätsmitteilung vom Regierenden Klaus Wowereit (SPD) – und Wirtschaftssenator Harald Wolff (Linke) kam sogar persönlich, um Gespräche mit der Münchner Konzernführung anzukündigen (taz berichtete). In einem am Mittwoch bekannt geworden Brief an den ProSiebenSat.1-Vorstand wies Wolf außerdem darauf hin, dass auch die Rückforderung öffentlicher Förderungsgelder am Standort Berlin „ernsthaft geprüft und auch durchgesetzt werden müsse“.

Doch der Konzern ignorierte die ohnehin arg weiche Drohung – und hat nun vollendete Tatsachen geschaffen. Dass der Umzug rückgängig gemacht wird, glaubt auch von den Betroffenen kaum jemand.

Trotzdem vermag der Senat der Entwicklung Positives abzugewinnen: „Es ist glimpflicher verlaufen, als wir zunächst befürchtet hatten“, da ja nur 350 MitarbeiterInnen vom Umzug betroffen seien, sagt Senatssprecher Richard Meng der taz. Gleichwohl halte der Senat den Schritt für falsch und werde in bereits „terminierten Gesprächen“ mit dem ProSiebenSat.1-Vorstand darauf drängen, dass Produktionsaufträge von Sat.1 auch weiterhin an Berliner Firmen gehen. Mit Sat.1 verliert der Fernsehstandort Berlin seinen einzigen großen privaten TV-Sender – ausgerechnet den, der sich mit Serien wie „Verliebt in Berlin“ bundesweit ums Stadtmarketing verdient gemacht hat. Das Programm des von Geldnot geplagten öffentlich-rechtlichen RBB ist außerhalb von Berlin-Brandenburg nicht einmal im Kabel zu sehen.

Dem Medienboard Berlin-Brandenburg, das für ebenjene Förderung des Medienstandorts zuständig ist, hatte es folglich am Donnerstag die Sprache verschlagen: Es meldetet sich auch auf Nachfrage nicht zu Wort. STG

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