Kommentar: Andere Anreize als das Geld

Berlin muss für Lehrer attraktiver werden - ob durch mehr Geld oder bessere Arbeitsbedingungen.

Berlins Schulen bekommen die Abwanderungswelle junger Lehrer ab Montag zu spüren. Mit dem neuen Schulhalbjahr seien offene Stellen häufig nicht nach den Wünschen der Schulen besetzt worden, sagte Peter Sinram, Sprecher der Lehrergewerkschaft GEW. Eine Grundschule, die sich einen Englischlehrer suchte, habe zum Beispiel einen Deutschlehrer bekommen. Schulen, die nach der Kombination Mathematik und Physik verlangten, hätten Mathe und ein anderes Fach erhalten. Damit seien die 165 offenen Stellen zwar besetzt worden. Es sei aber die Frage, ob das allen Schulen auch nutze, ergänzte Sinram. Manche Schulen hätten schließlich genommen, was sie kriegen konnten - bevor sie bei der Stellenvergabe leer ausgingen, berichtete Sinram. Grundschulen, die auf diese Weise einen Deutschlehrer erhielten, müssten sich einen Englischlehrer nun aus ihrem eigenen Budget auf dem freien Markt suchen. Manchmal sei auch das vergebens. "Für Mathe und Physik ist einfach niemand mehr in Berlin", sagte Sinram. Denn viele junge Lehrer sind in den letzten Wochen in andere Bundesländer abgewandert. Die locken mit höheren Gehältern durch Verbeamtungen. dpa

Der Wettbewerb der Bundesländer um die Lehrer schadet dem Bildungssystem - aber die Länder wollten es so. Wenn die Schulen in Berlin jetzt keine Lehrer für Mathe und Physik mehr finden, dann ist das die Folge der Föderalismusreform. Die Länder erkämpften sich damals das Recht, die Bezahlung ihrer Lehrer selbst zu regeln. Und jetzt stellt Berlin fest, dass andere Länder in dem Wettstreit um die Lehrer die Nase vorn haben. Die Hauptstadtschulen sind froh, wenn sie überhaupt noch jemanden finden, der bei ihnen unterrichten will - ob der auch die richtige Fächerkombination kann, ist zweitrangig.

Die Junglehrer nutzen ihre Position gezielt aus und drohen damit, in ein anderes Bundesland zu ziehen. Das ist keine "Erpressung" - schließlich ist es legitim, das Bundesland zu wechseln. Es ist sogar hilfreich, wenn man das vorher ankündigt, damit die Politik gegensteuern kann.

Und das ist dringend nötig: Es muss attraktiver werden, hier als Lehrer zu arbeiten. Dabei spielt auch Geld eine Rolle - aber nicht nur. Denn die Lehrer können sich von ihrem wenigen Geld ja hier auch mehr leisten, weil alles billiger ist als in anderen deutschen Großstädten. Gegen Berlin spricht aber auch, dass die Hauptstadtschüler als besonders konfliktträchtig und lernunwillig gelten.

Dass Geld nicht alles ist, das zeigen auch die Freien Schulen, die noch schlechter als der Senat bezahlen, aber nach wie vor Lehrer finden. Weil sie etwas ganz anderes bieten: die Chance, etwas zu bewegen und in einer motivierenden Umgebung zu arbeiten. Das sind die Anreize, die auch die staatlichen Schulen ihren Lehrern bieten müssten.

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