Bierfest mit Antirassismus-Bühne: Ein bisschen Aufklärung auf dem Proletenfest

Hunderttausende feiern auf der Biermeile an der Karl-Marx-Allee. Mittendrin: eine kleine antirassistische Bühne.

Feucht-fröhlich ging's am Wochenende auf der Friedrichshainer Biermeile zu Bild: REUTERS

"Give Me Some Love": Weltmusik klingt von Bühne 15 mitten in das Biermeilengewusel. Morris Mugoy, kurze Rastalocken, zupft an seiner Gitarre, eine Sängerin tanzt barfuß im roten Kleid. Die Tischreihen davor sind voll besetzt, links wird altböhmisches Pils ausgeschenkt, rechts gibt es Rostbratwurst. "Ich sitze hier, weil frei ist", antwortet eine Mittfünfzigerin verständnislos. Und das Banner über der Bühne, "Kein Kiez für Nazis"? "Ist in Ordnung, so was."

Es war ein Versuch. "Ein gelungener", wie Canan Bayram von der Friedrichshainer "Initiative gegen Rechts" (IGR) findet. Am Samstag stellte die IGR ein eigenes Bühnenprogramm auf die Beine, ein "antirassistisches" - mitten in der Biermeile, die sich von Freitag bis Sonntag an der Karl-Marx-Allee ausbreitete. Eine kleine Insel der Alternativkultur sei das hier, so Bayram, die auch Grünen-Abgeordnete ist. Ein vollgepackter Infotisch und Verteiler mit "Servicewüste für Nazis"-Flugblättern gehören auch dazu. Man wolle sensibilisieren, so Bayram: gegen rechte Übergriffe, die immer wieder von der Biermeile ausgingen.

Am Samstagvormittag habe sich ein Typ vor die Bühne gestellt und "Aufhören!" gerufen, berichtet sie. In einen Notizblock hat sie weitere Pöbeleien festgehalten: Intolerant sei ihre Initiative, habe einer gesagt - wenn sie keine Rechtsextremen dulden. Um 17 Uhr machen die IGR-Leute Schluss, rollen ihr Banner ein, räumen den Tisch ab. "Wir wollten ein Zeichen setzen und Diskussionen auslösen", so Sabine Kritter von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. "Mit dem steigenden Pegel wird das immer schwieriger."

Es sind Papas und australische Touristen, Biker und Jugendliche mit "Team Porno"-Shirts, die sich durchs Gewühl schieben, später auch Hertha-Fans. Und mittendrin saufen Thor-Steinar-Träger, Glatzköpfe mit BFC-Shirts und Neonazis mit "Todesstrafe für Kinderschänder"-Hemden oder Eisernem-Kreuz-Tattoo im Nacken. Zumindest am Nachmittag gehen sie aber zwischen den "Qué Será, Será"-Schunklern unter. Es ist Dorffest, nur größer. Die Polizei notiert keine fremdenfeindlichen Vorfälle, drei Festnahmen und 14 Körperverletzungen.

Lothar Grassnick, Biermeilenboss, nickt zufrieden: Alles ruhig und fröhlich. Die Sache mit der Antirassismusbühne sei toll. Von ihm gebe es "vollste Unterstützung". Einen Packen der Servicewüste-Flyer habe er jedem Aussteller zum Auslegen in die Hand gedrückt. "Ich denke, die Botschaft ist angekommen."

An der Bude des "Roten Oktober" gibt es Bier mit Lenin-Logo, auf dem Tresen liegen Arbeiterlieder-CDs. Vor Jahren hätten mal 40 Nazis versucht, seinen Stand anzugreifen, erzählt Gunter Reimann. Eigentlich sei es aber friedlich hier. "Klar triffste Nazis, aber die triffste in der U-Bahn auch." Die Biermeile bilde eben den Berliner Durchschnitt ab, so Reimann. "Das ist dann eben ein Proletenfest, aber das ist doch okay so."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.