Biotop hinter dem Künstlerhaus Tacheles bleibt: Frösche vertreiben Bagger

Im Kampf gegen Immobilienspekulanten zeichnet sich ein neues Erfolgskonzept ab: Frösche haben in Mitte die völlige Zerstörung des Biotops hinter Tacheles verhindert - vorläufig.

Frosch auf der Lauer Bild: dpa

Handtellergroß, glitschig und grün-braun: So sehen siegreiche Kämpfer für den Erhalt von Freiflächen in der Stadt aus. Nur den Fröschen und anderen seltenen Zeitgenossen ist es zu verdanken, dass ein Biotop auf dem Tacheles-Gelände in Mitte nicht Immobilienspekulanten zum Opfer fiel.

Im Streit um die Zukunft des Künstlerhauses samt dahinter liegender Freifläche (siehe Kasten) rückten Anfang der Woche die Bagger an. Beauftragt waren sie vom Zwangsverwalter. Denn die HSH Nordbank, die Gläubiger des Eigentümers Johannishof Projektentwicklung ist, hatte Mitte Dezember Antrag auf Zwangsversteigerung des Geländes gestellt. Seither laufen Rechtsstreitigkeiten mit den Nutzern der Kulturruine.

Künstler besetzten 1990 das Gebäude aus der Kaiserzeit und erreichten, dass das Tacheles unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Seit 1998 ist eine Tochter der Fundus-Gruppe Eigentümer der Fläche, sie überließ es dem Verein Tacheles für 50 Cent pro Monat.

Ende 2008 lief der Vertrag aus. Der Fundus-Gläubiger HSH Nordbank stellte Antrag auf Zwangsversteigerung.

Hartnäckig halten sich Spekulationen, die Fundus-Gruppe wolle um die denkmalgeschützte Ruine herum ein Geschäfts- und Wohnviertel im Stil des New Urbanism hochziehen. PEZ

"Als ich ankam, alarmiert von einem unserer Wachleute, war unser liebevoll errichteter Holzzaun bereits abgerissen", sagte Olivier Putzbach, einer der Biotop-Initiatoren, der taz. "Die haben ihren eigentlichen Auftrag benutzt, um das Biotop gleich mit abzureißen." Putzbach und seine Mitstreiter seien gewaltsam aufgehalten worden, als sie einschreiten wollten. Er alarmierte umgehend das Bezirksamt für Umwelt und Natur - ein Schritt, der den Tieren und Pflanzen rund um den kleinen Teich zunächst das Leben rettete.

Der Zwangsverwalter begründete die "Sicherungsmaßnahmen" mit Baggern damit, die Nutzung auf den Freiflächen habe sich stark ausgeweitet. So seien mehrere Wohnwagen auf dem Gelände aufgefahren. Dem habe man entgegentreten wollen.

Doch die Artenschutzbeauftragte des Bezirks schritt ein und erklärte den Bauarbeitern, dass der Geländeteil wegen der schützenswerten Arten nicht zerstört werden dürfe. "Dort leben Froscharten, einige Eidechsen und Rotschwänzchen, die man relativ selten im Stadtgebiet antrifft", sagte die Leiterin des Umweltamts, Regine Grafe, am Donnerstag der taz. "Ein Feuchtbiotop, wie es hier entstanden ist, darf so nicht entfernt werden."

Die Bagger mussten abziehen, der Sicherheitsdienst aber blieb. "Wir dürfen uns nicht mehr um das Biotop kümmern", klagt Putzbach. Auch den Familien, die bei der Pflege mithelfen, sei der Zugang verwehrt worden. Ein Skandal, findet Putzbach.

Denn die vom Tacheles beauftragten Wachleute hätten sich auch als Vermittler zwischen nachts pöbelnden Besuchern und den Bedürfnissen der Frösche bewährt. Es habe immer einer aufgepasst, wenn jemand über den Zaun klettern wollte, so Putzbach. Der vom Sicherheitsdienst des Zwangsverwalters bewies offenbar weniger Kommunikationsfertigkeiten: In der ersten Nacht kam es zu Rangeleien, mehrmals wurde die Polizei gerufen.

Zum Nachteil des Biotops: Im Zuge der Auseinandersetzungen wurde noch einmal ein Teil des Gebiets zertrampelt. Vom Zwangsverwalter hieß es, überhaupt sei das Biotop erst in der Nacht durch randalierende Gästebeschädigt worden. Durch die "Sicherungsmaßnahmen" würden dagegen "bestehende und dem Zwangsverwalter bekannte Nutzungsverhältnisse" nicht gestört. Die Polizei bestätigte, dass Angestellte des Sicherheitsunternehmens mit Flaschen und Steinen angegriffen worden seien. In den folgenden Nächten blieb es immerhin ruhig. Doch Putzbach und seine Mitstreiter dürfen weiter nicht auf das Gelände, die Sicherheitsleute bleiben.

Langfristig müssen die Frösche wohl auf die fortwährende Zahlungsunfähigkeit oder das Einlenken des Besitzers hoffen: Gibt es erst konkrete Baumaßnahmen, können die Investoren bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen Antrag stellen, dass das Biotop beseitigt werden darf - weil die Baumaßnahmen das "zwingend erforderlich" machen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.