Gratisfahren ist zu billig

Vor Entschädigungen muss das Ausmaß klar sein

von Stefan Alberti

Klar, die S-Bahn muss ihre Kunden entschädigen. Aber erst mal muss klar sein, wie lang das Chaos noch anhält. Dass die S-Bahn im Dezember wieder planmäßig fährt, ist nur noch eine müde Hoffnung angesichts erneuter Mängel. Wird es Januar, Februar, März? Ist das absehbar, muss die Bahn den Monats- und Jahreskarteninhabern zügig Geld rüberreichen. Zahlt man aber nun auf die Schnelle aus und muss dann möglicherweise nachlegen, verdoppelt sich der ohnehin große bürokratische Aufwand.

Schnell fordern ist schlicht

Ohne Wissen um die Länge des Chaos jetzt und schnell Entschädigung zu fordern ist zu billig – auch wenn es in Wahlkampfzeiten natürlich naheliegt. Auch S-Bahn-Kunden können schließlich am 27. September abstimmen. Das macht die Sache aber nicht weniger populistisch. Angebracht hingegen wäre es, noch lauter eine wirklich glaubwürdige, öffentliche Entschuldigung der Bahn zu fordern.

Vorschläge wie der von Wirtschaftssenator Wolf gehen dabei ganz an der Realität vorbei. Zwei Monate freies Fahren für alle gibt den Stammkunden, die teils sowieso schon ihre Monatsmarken bis ins nächste Jahr in der Tasche haben, keinen Cent zurück für die nervige Warterei auf volle Züge. Touristen zu umgarnen ist nicht notwendig. Selbst die Berlin Tourismus Marketing schätzt die Lage als „nicht so dramatisch“ ein, die meisten Touristen seien gut versorgt.

Wenn die S-Bahn wieder solide gewartet, repariert und kontrolliert werden soll, mit mehr Mitarbeitern und mehr Werkstätten, dann kostet das auch mehr Geld. Vor diesem Hintergrund mal so zwei Monatseinnahmen mit der Gießkanne zu verteilen, statt gezielt die wirklich Betroffenen zu entschädigen, ist der falsche Weg.