Kommentar Public Viewing am Wahlabend: Erst die Party, dann der ganze Rest

Die Bundestagswahl gerät in letzter Minute zum Event

Es ist der langweiligste Wahlkampf aller Zeiten. Und ändern wird sich sowieso nichts. Das war der einzige Wahlkampfslogan, den anscheinend alle unterzeichnet haben. Doch nun plötzlich auf den letzten Metern wird aus der Wahl ein Event.

Zumindest deutet einiges darauf hin: In ganz Berlin liegt Public Viewing im Trend - nicht bei einer WM, sondern mit "Saufen, bis die Urne platzt", "Parteicocktails" und "Trauerfeiern". KollegInnen und Freunde mieten für den Wahlsonntag schon Beamer. Bei Auftritten der Kanzlerin versammeln sich ironische Jubelbrigaden. Und für Sonntag ruft gar ein "Willy Wahlleiter" per Mail zum Flashmob auf: "In einem Wahllokal Deiner Wahl, zu einer Zeit zwischen 8 und 18 Uhr: Sobald die gelangweilten Herrschaften im Wahllokal Dich müde anlächeln, mach Dein Kreuz." Und alle gehen hin. Wie kommt es, dass aus dieser Wahl noch Party wurde?

Klimakoller, Wirtschaftswahnsinn, Armutsängste - sind das denn keine ernsten Dinge? Man könnte meinen: Wer jetzt auf lustig macht, hat nichts begriffen. Das Gegenteil ist der Fall. Denn in der Leichtigkeit des Events drückt sich die Schwere der Wahl aus. Ein bisschen gleicht das Spiel dem Untergang der "Titanic", als bis zuletzt die Bläser musizierten. Wer noch mitspielt, hat immerhin begriffen: Es geht ums Ganze. Dass kreuz und quer in Berlin die Menschen in der Wahl noch eine große Fete sehen, ist ein gutes Zeichen. Sie nehmen sich, was ihres ist.

Und außerdem: Wenn das Wahlvolk mit seiner Lust auf den Wahlabend überraschen kann, dann vielleicht ja auch mit dem Ausgang.

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