Entschädigungsdebatte: S-Bahn ignoriert Parlament

Zunächst sollen nur Stammkunden mit Jahreskarte einen Ausgleich für die vielen Zugausfälle erhalten. Das Abgeordnetenhaus hatte am Donnerstag mehr gefordert.

Seltenes Exemplar: Fahrende S-Bahn in Berlin Bild: dpa

Die S-Bahn hat am Freitag die Details für die Entschädigung von Stammkunden veröffentlicht. Wer eine Jahreskarte, ein Abonnement oder ein Firmenticket hat, darf im Dezember frei fahren. Am Donnerstag hatte das Abgeordnetenhaus die S-Bahn aufgefordert, alle Kunden und auch die unter Umsatzeinbußen leidenden Geschäfte auf den Bahnhöfen zu entschädigen. Die Entscheidung schiebt die S-Bahn jedoch auf: Sie sei dazu "mit dem Berliner Senat und den Fahrgastverbänden im Gespräch". Erst in der nächsten Woche soll es weitere Informationen geben.

Seit Juni ist der S-Bahn-Verkehr zum großen Teil lahmgelegt, weil das Unternehmen die nötige Wartung der Radscheiben und Bremsen bewusst versäumt hat. In einer Mitteilung der S-Bahn war am Freitag von einer "sehr schwierigen Unternehmensphase" die Rede.

Die Entschädigung erhalten alle Kunden mit AB-, BC- oder ABC-Jahresticket - egal, ob sie es bei der S-Bahn, der BVG oder einem anderen Endverkäufer bezogen haben. Für Abonnenten, die die monatlichen Kosten abbuchen lassen, läuft alles automatisch: Im Dezember wird einfach nicht abgebucht. Wer sich den Jahresbetrag einmalig vom Konto hat abbuchen lassen, erhält eine Rücküberweisung. Wer seine Karte bar gezahlt hat, bekommt ab dem 8. Oktober an den Schaltern von S-Bahn und BVG die Entschädigung ausbezahlt.

Im Abgeordnetenhaus hatte am Donnerstagabend eine ganz große Koalition aus SPD, CDU, Linken und Grünen beschlossen, die Bahn müsse nach "klaren Entschädigungsregelungen für alle Kunden der S-Bahn und betroffene Gewerbetreibende" zahlen. Darüber hinaus müsse der Mutterkonzern, die Deutsche Bahn, "die Sparvorgaben für die S-Bahn zurücknehmen" und sehr schnell zu "vorausschauender Wartung" zurückkehren. Die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses sind allerdings - anders als formale Gesetze - nicht bindend. Die S-Bahn kann somit selbst entscheiden, wie sie ihre Kunden für die beispiellosen Zugausfälle entschädigen mag.

Von Montag an sollen zumindest auf der zentralen Stadtbahnstrecke zwischen Alexanderplatz und Westkreuz wieder Züge fahren. Derzeit fahren dort nur Regionalzüge. Am Montag soll die Linie S 3 im 20-Minuten-Takt zwischen Erkner und Charlottenburg fahren, die S 5 zwischen Strausberg und Charlottenburg, die S 7 von Ahrensfelde nach Westkreuz.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verwies im Parlament auch auf die Verantwortung des Bundes und somit auf Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD): "Der Bund als Eigentümer der Bahn hat selbstverständlich die Pflicht, für Ordnung bei der S-Bahn und für Aufklärung zu sorgen", sagte Wowereit. Der Senat erwarte eine Neuausrichtung des Mutterkonzerns Bahn "weg von Börsengang und Privatisierung". Der Berliner Landesverband der SPD hatte die Privatisierungspläne bei der Bahn schon länger bekämpft, sich aber damit innerhalb der eigenen Partei nicht durchsetzen können.

KLAUS WOWEREIT

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.