„Für 100 Räume drei Stunden Zeit“

HARTER JOB Angelika W. war von ihrem Chef gefeuert worden, weil sie an einem Warnstreik teilnahm. Nun arbeitet sie wieder – in dem Job, der mit schweren Maschinen und täglichem Stress ihren Rücken ruiniert

„Gestern hat mir mein Chef auf die Mailbox gesprochen und gesagt, die Kündigung täte ihm leid. Find ich ein bisschen merkwürdig, dass das jetzt erst kommt. Das Gericht hatte ja schon letzte Woche die Kündigung für ungültig erklärt, und ich bin seit Donnerstag wieder im Einsatz. Jetzt habe ich zwar eigentlich Urlaub, aber ich bleibe hier und gehe zum Streik – ich kann mich doch jetzt nicht rausziehen!

Meist arbeite ich allein in meinem Job. In der TU habe ich für 100 Räume drei Stunden Zeit. Das Anstrengendste an der Arbeit sind die Maschinen und Wassereimer. Von den schweren Bohnermaschinen für die Fußböden und Schamponiermaschinen für die Teppiche habe ich einen kaputten Rücken. Zwei Bandscheibenvorfälle hatte ich bereits. Ich nehme Medikamente und geh trotzdem immer arbeiten. Seit 1992 bin ich in dem Beruf, habe immer durchgehend gearbeitet. Außer den Fußböden muss ich alles, was da halt so rumsteht, putzen – Schränke, Tische, Fenster. Eigentlich gab es für das Glas einen Extradienst, den gibt es aber auch nicht mehr. Wenn ich als Vorarbeiterin eingeteilt bin, komme ich eine halbe Stunde früher als meine Kollegen. Also so um halb fünf morgens. Ich schaue mir die Schichtpläne an, und wenn jemand krank ist, organisiere ich Ersatz. Die Kunden hinterlassen oft Mängellisten – also wenn irgendwas nicht richtig gereinigt ist. Um fünf sind dann alle da, und dann geht es los – mit Wischeimer und Bohnermaschine. Früher gab es für die Vorarbeit wohl eine Prämie, ich habe noch nie eine bekommen, auch nicht bei meinem früheren Arbeitgeber. Bis acht müssen wir fertig sein in der TU. Dann habe ich sechs Stunden frei, und um zwei geht es ins Rathaus Schöneberg. Dort ist es im Grunde die gleiche Arbeit und das gleiche Pensum wie in der TU.

Seit März bin ich bei der AGG Gebäudereinigung angestellt, ich bekomme 8,15 Euro brutto die Stunde, bei einer 39-Stunden-Woche bleiben mir damit 900 netto. Mein Vertrag ist auf ein Jahr befristet. Und ich gehe nicht davon aus, dass er verlängert wird. Nach dem ganzen Medienrummel. Aber Angst vor Arbeitslosigkeit habe ich nicht – geputzt wird überall.“

PROTOKOLL: FRAUKE BÖGER