Jugend ohne Treff

SPARPLAN Der Senat kürzt Mittel für die Jugendarbeit. Jugendzentrum in Brennpunktkiez betroffen

Das Jugendzentrum in der Pohlstraße liegt mitten im Brennpunktkiez Tiergarten-Süd. Entlang der benachbarten Kurfürstenstraße warten Prostituierte und Dealer auf Kundschaft. Eine Leuchtreklame verkündet: „Love, Sex, Dreams“. Zwischen Lack-Overknees und McGeiz ist Deniz Tuncel aufgewachsen. Für ihn und die Jugendlichen im Kiez ist das einzige Jugendzentrum in der Gegend eine wichtige Anlaufstelle. Doch die Einrichtung „Jugendteam und Mädchentreff“ soll vom Bezirk Mitte demnächst eingespart und geschlossen werden. Von den Kürzungen des Senats sind alle Bezirke betroffen.

Um Deniz Tuncel steht eine Gruppe von fünf Jungen an einen Holzzaun gelehnt. Er klopft einem von ihnen auf die Schulter: „Er hier ist 15 Jahre alt, aber muss sich auf der Straße verhalten wie ein 20-Jähriger, weil er sonst Schwäche zeigt.“ Erst im September machte eine Schießerei in der Pohlstraße Schlagzeilen. „Die Straße verdirbt die Jungs und zieht sie in die Scheiße“, sagt Deniz. „Fast jeder hier hat Probleme“, sagt Leyla Tuncel. In der Einrichtung würden die Jugendlichen aufgefangen.

In Tiergarten-Süd gibt es eine weitere Jugendeinrichtung: den Kinder- und Jugendtreffpunkt „FIPP“ in der Kluckstraße. Diesen will der Bezirk weiterhin fördern. Doch laut Sozialarbeiter Karsten Masch ist das „eher eine reine Kinder-Einrichtung“. Die Jugendlichen von der Pohlstraße würden dort nicht hingehen, weil der Treff auf der anderen Seite der Kurfürstenstraße liege.

Die rund 60 Kinder und Jugendlichen, die dagegen in den „Jugendteam und Mädchentreff“ zum Spielen, Malen und Hausaufgabenmachen kommen, sollen ab Januar 2010 zu Hause bleiben. Der Senat hat dem Bezirk Mitte 2,5 Millionen Euro für die Jugendarbeit gekürzt. Der Bezirk ist nicht alleine: In Friedrichshain-Kreuzberg muss das Jugendamt 2 Millionen Euro einsparen.

Die Bezirke reagieren auf die Sparzwänge unterschiedlich: Friedrichshain-Kreuzberg plant, Mitte 2010 alle noch in bezirklicher Trägerschaft befindlichen Jugendeinrichtungen an freie Träger zu übergeben. Die Beschäftigten der Einrichtungen laufen dagegen Sturm: Sie fürchten um die Qualität der Angebote und um ihre Arbeitsplätze.

In Mitte ist die Schließung von 23 Einrichtungen, die sich bereits in freier Trägerschaft befinden, geplant. Am 3. Dezember wird in der Bezirksverordnetenversammlung über die Zukunft des Jugendzentrums in der Pohlstraße entschieden.

Josef Lückerath vom Quartiersmanagement Tiergarten-Süd empfindet die Kürzungen als „mittel- und langfristig politisch unverantwortlich“. Eine Mutter berichtet: „Seitdem wir ins Jugendzentrum kommen, gibt es keine Zankereien mehr zu Hause, die Nerverei hat aufgehört.“ Auch die Noten ihrer Tochter hätten sich durch die Hausaufgabenhilfe verbessert. Die 12-jährige Shirin sagt: „Es wäre sehr traurig, wenn es das hier nicht mehr gibt. Dann ist es langweilig und wir können uns nicht mehr sehen.“

Gemeinsam haben sie Plakate bemalt, mit denen sie vor und im Saal der Bezirksverordnetenversammlung gegen die Schließung protestieren. Mehrere hundert Unterschriften sind bereits gesammelt. Montag ab 16 Uhr ist eine Straßenblockade an der Pohlstraße Ecke Kurfürstenstraße geplant. LISA GEIGER