Vereinskrise: Hertha sammelt Mitleidspunkte

Es hätte die große Revolte werden können: Auf der Mitgliederversammlung stehen sechs Anträge auf Abwahl der Führung an, Präsident Gegenbauer wird ausgebuht. Doch als es ernst wird, kneifen die Antragsteller.

Hertha BSC behält zwar seine Führungsriege, hat aber als Tabellenletzter genausowenig wie hier Verteidiger Nemanja Pejcinovic weiter keinen Grund zur Freude. Bild: AP

Als eine halbe Stunde vor Mitternacht das Ergebnis des Abwahlantrages verkündet wird, sitzt Hertha-Präsident Werner Gegenbauer gar nicht mehr auf seinem Podiumsplatz. Er weiß zu diesem Zeitpunkt, dass er um seinen Posten nicht mehr bangen muss. Nur 277 Mitglieder votieren für die Demission des Präsidiums. Das sind nicht mal 20 Prozent der Stimmen - 75 Prozent wären aber nach den Statuten nötig gewesen. Ähnlich deutlich wird auch der Antrag auf Abwahl des Aufsichtsrates abgeschmettert.

Viele hatten auf der Mitgliederversammlung von Hertha BSC am Montagabend mit einer Spaltung des Vereins gerechnet. Schließlich taumeln die Profis des Fußball-Bundesligisten unaufhaltsam der Zweiten Liga entgegen. Anfangs scheint sich im großen Saal des Internationalen Congress Centrums (ICC) auch wie erwartet eine unheilvolle Stimmung zusammenzubrauen. Der Beginn der Veranstaltung verzögert sich um 20 Minuten, weil fast doppelt so viele wie sonst - 1.800 Mitglieder - gekommen sind. Präsident Gegenbauer wird bereits bei seinen ersten Worten ausgepfiffen. Und bei der Vorstellung des Podiums erhält der Vorsitzende der Kegelabteilung den meisten Beifall.

Sechs Anträge auf Abwahl des Präsidiums und des Aufsichtsrats stehen zur Abstimmung. Doch im Verlaufe des Abends ziehen fünf Antragssteller ihre Forderung zurück. Abgestimmt wird nur über den Abwahlantrag einer Frau, die nicht anwesend ist und deren Mann zudem telefonisch versichert haben soll, sie wolle das Ganze eigentlich auch rückgängig machen. Doch dieser Kommunikationsweg entspricht nicht der Vereinssatzung. "Das ist doch Kasperle-Theater", kommentiert einer aus der Menge das Geschehen.

Mit teilweise erstaunlichen Begründungen erklären die Antragssteller den Rückzug: "Weil es Hertha schon schlecht genug geht", sagt eine der vermeintlich Oppositionellen. Ein anderer kommt dagegen auf den wunden Punkt zu sprechen: "Es fehlt hier jemand, der seinen Hut in den Ring wirft." Es gibt keine Alternativen zu Werner Gegenbauer und seinem Team.

Aufgrund der fehlenden Gegner kann an diesem Abend Manager Michael Preetz sogar mit einer trivialen Rede punkten. Sein meist abgelesener Vortrag ist mit unzähligen Durchhalteparolen bestückt. "Wir Herthaner stehen immer wieder auf", verkündet er zum Beispiel. Oder: "Es gibt nur eine Reaktion: Jetzt erst recht." Und Preetz versucht das Publikum mit einer kruden Auswahl von Sinnsprüchen zu überzeugen. Mit Bertolt-Brecht- und Ernst-Bloch-Zitaten beschwört er die mittlerweile sehr bescheidenen Chancen auf den Klassenerhalt. Wenig später gibt er eine Börsenweisheit zum Besten: "Der Grundstein für große Vermögen wird in der Krise gelegt." Einmal ist dann doch seine Ratlosigkeit zu spüren. Er ruft: "Wir können den Spielbetrieb doch nicht einfach einstellen."

Bei seinem Versuch, Herthas Absturz binnen weniger Monate zu erklären, vermeidet er zwar eine Abrechnung mit seinem Vorgänger Dieter Hoeneß. Doch Preetz verweist auf die Mitverantwortung von Excoach Lucien Favre bei Transfers. Und er erzählt von dessen offen eingestandener Ratlosigkeit, die auch Grund für seine Entlassung gewesen sei.

Preetz muss wegen vieler Störungen seine Rede des Öfteren unterbrechen. Hernach jedoch bescheinigen ihm einige Mitglieder "lauter, redlich und anständig" zu sein. Die Zweifel, ob das reicht, um den Verein aus der Krise zu führen, stehen allerdings vielen ins Gesicht geschrieben.

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