Latein soll Migrantenkindern helfen

SPRACHE Deutsch als Zweitsprache soll sich leichter lernen, wenn es parallel dazu Lateinunterricht gibt

Kinder, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben, sollten Latein lernen. Das empfiehlt Stefan Kipf, Professor für Klassische Philologie an der Humboldt-Universität.

„Schüler nichtdeutscher Herkunft erzielen deutliche Fortschritte in der Zweitsprache Deutsch, wenn sie Lateinunterricht haben“, sagte Kipf in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Latein funktioniere als Reflexionssprache, mit der die Kinder lernten, über Sprache an sich nachzudenken. Als Beleg führt er Ergebnisse des Lateinunterrichts am Berliner Ernst-Abbe-Gymnasium an, das fast ausschließlich Kinder mit Migrationshintergrund besuchten. „91 Prozent der Schüler haben gesagt, dass sich durch den Lateinunterricht ihr Deutsch verbessert hat“, erklärte Kipf.

Für Schüler, die Probleme mit ihre Zweitsprache haben, sei eine kommunikativ ausgerichtete Fremdsprache wie Französisch schwierig zu erlernen. Viele Migrantenkinder könnten zwar akustisch gut Deutsch, doch was sie mündlich ausdrücken würden, könnten sie schriftlich nicht umsetzen. Latein diene ihnen als Brückensprache zwischen der Muttersprache und der deutschen Zweitsprache. Die Schüler kämen über Sprache ins Gespräch, „denn beim Übersetzen müssen sie sich Rechenschaft darüber ablegen, warum sie etwas wie ausdrücken“.

Dennoch ist Latein für den Forscher mehr als nur ein Hilfsfach für den Deutschunterricht. „Der Lateinunterricht ist der einzige Unterricht, in dem die Türkei regelmäßig vorkommt – denn das Land war einst die römische Provinz Asia“, sagte Kipf. So mancher türkischstämmige Schüler habe so seine Zugehörigkeit zum europäischen Kulturraum entdeckt. Hinzu komme: „Sehr emotional besetzte Themen werden gerade in ethnisch gemischten Gruppen sachlicher und nüchterner besprochen, wenn ein lateinischer Text dazwischengeschaltet ist“, sagte Kipf. Kontroverse Themen wie die Rolle der Frau würden so weniger scharf diskutiert. (dpa)