… ANDREAS DRESEN?
: Gewinnen und Champagner trinken

Ganz besonders angetan ist von Andreas Dresen derzeit Bernd Neumann (CDU). Der Kulturstaatsminister und bekennende Filmfreak hat den Berliner Regisseur für dessen neuen Film, „Halt auf freier Strecke“, in den höchsten Tönen gelobt und ihm zum Gewinn des renommierten Nebenwettbewerbs „Un Certain Regard“ beim Festival in Cannes gratuliert. „Ich meine, dass dieser Film im Hinblick auf die Wirkung den Anspruch mancher Wettbewerbsfilme hier in den Schatten stellt“, jubelte Neumann.

Nun, es gab ja sonst nichts, was man in den Schatten hätte stellen können. Deutsche Filme fehlten in diesem Jahr im Wettbewerb in Cannes. Und Dresen muss sich den Preis mit dem Koreaner Kim Ki-duk, der für sein autobiografisches Werk „Arirang“ geehrt wurde, teilen. Das ließ Neumann außen vor.

Was nicht heißen soll, dass Dresen den Preis nicht verdient hätte. Im Gegenteil. Vielleicht ist der „Certain Regard“ – mit Unterstützung von Neumanns Hymne – der Anlauf zu einem wirklichen Wettbewerbsbeitrag und einem kommenden 1. Platz an der Promenade de la Croisette. Denn Dresen macht gute Filme und besondere obendrein. Zugleich ist die Konkurrenz im eigenen Lande nicht eben riesig. Und die Altmeister à la Wim Wenders haken sich auf B-Festivals wie der Berlinale fest. Die Chancen sind gut.

Der Film „Halt auf freier Strecke“ erzählt die Geschichte von Frank (Milan Peschel), bei dem eines Tages ein Hirntumor festgestellt wird. Operieren ist zwecklos. Der 40-Jährige hat nur noch wenig Zeit zu leben und muss Abschied nehmen von seiner Frau (Steffi Kühnert), seinen Kindern und seinem Leben. Es ist ein harter Abschied und ohne falsche Sentimentalität gefilmt. „Halt auf freier Strecke“ ist ein echter Dresen: nah, riskant, authentisch. Das Drama hat das Publikum in Cannes zu Tränen gerührt.

Dresen staubt mittlerweile Preise en masse ab. In Cannes hat er bereits einmal zugeschlagen. 2008 wurde sein Altersliebesfilm „Wolke 9“ mit dem „Coup de Coeur“ („Herzschlag-Preis“) geehrt. Auszeichnungen erhielt er für seinen Streifen „Sommer vorm Balkon“ und den Film „Halbe Treppe“. Schon dort zeigte Dresen, dass er ein Geschichtenerzähler, ein Menschenfilmer, ein Tiefenpsychologe ist, der großen Humor besitzt.

„Halt auf freier Strecke“ hat der Regisseur erst vor rund einer Woche fertiggestellt. Von dem Gewinn des Preises wurde er im Urlaub überrascht – nicht in Cannes am Strand oder auf dem roten Teppich mit Brad Pitt an seiner Seite. „In Cannes einen Preis zu gewinnen ist natürlich etwas ganz Tolles. Ich denke, davon träumt jeder Filmemacher“, sagt Dresen.

Jetzt wird gefeiert. Eigentlich ist er ja eher ein Berliner Biertrinker, wird kolportiert. „Ich nehme aber jetzt ein Glas Champagner, das ist heute der Abend wert.“ Congratulations, Andreas Dresen – auch von hier. ROLA

Foto: dapd