Neue Kunsthalle für Berlin: Kistenweise Subkultur

Die Agentur Platoon will auf dem RAW-Gelände eine Containerhalle für urbane Kunst errichten. Die Pläne wirken ziemlich gewagt - und doch nicht unrealistisch.

So soll's werden: Entwurf der Container-Kunsthalle an der Warschauer Straße in Friedrichshain. Bild: Entwurf: Graft Architekten

Dass die Zukunft manchmal recht skurril aussieht, stellt Christoph Frank am Donnerstagabend in Friedrichshain unter Beweis. Im schummrigen RAW-Club auf dem Gelände des ehemaligen Reichsbahn-Ausbesserungswerks in der Revaler Straße klappt der in Militärkluft gewandete Mann den Laptop auf und projiziert Bilder von Überseecontainern an die Wand. Die grünen Metallquader stapeln sich zwischen Hochhäusern in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, darauf prangt ein deutsches Wort: Kunsthalle. Es ist das größte außereuropäische Projekt der Kommunikationsagentur Platoon, deren Markenzeichen radikaler Militärchic ist. In Berlin residiert Platoon in Containern auf wechselnden Brachen in Mitte. Das RAW hat man als neue Spielwiese auserkoren: "Wir wollen hier eine Anlaufstelle für die Subkultur Berlins schaffen", sagt Frank selbstbewusst.

Ein gewagter Plan - schließlich ist Subkultur nicht organisiert und das RAW-Gelände ein hoch politisierter Raum. Das 65.000-qm-Areal, auf dem seit 1999 Überlebenskünstler und Sportler werkeln, wurde 2007 an einen isländische Investor verkauft. Seither kämpfen die Geländeaktivisten gegen Pläne für ein Einkaufszentrum und gegen ihre Vertreibung. 2010 gelang nach zähen Verhandlungen eine Mietverlängerung bis Ende 2019. Ausgerechnet in diesem prekären Gefüge aus Ateliers, Selbsthilfevereinen, Zirkus und Skatehalle soll nun eine Kunsthalle entstehen, mit Shop und Dachterrasse? Die Skepsis im Raum, in dem sich RAWler, Anwohner und Medienvertreter versammelt haben, ist mit Händen zu greifen.

Doch Christoph Frank fährt mit Feuereifer eine Animation nach der anderen ab. Bilder von Sprayern und DJs, die den Container in Seoul bespielen. Bilder von dem transparenten Ausstellungscontainer in Gwangju, den Platoon im Auftrag der koreanischen Regierung errichtete. Ein Bild von der Ausstellungshalle PS1 des Museum of Modern Art (MoMa) in New York. Nach diesem Vorbild soll auch die neue Berliner Halle funktionieren. Eine Simulation mit einer majestätisch schimmernden Containerfassade entlang der Warschauer Brücke verfehlt nicht ihre Wirkung - im Saal wird es still. Die Animation hat das In-Architekturbüro Graft angefertigt, das auch den Innenausbau übernehmen soll. Eine "Landmark", ein cooles Entrée für Friedrichshain solle die Halle werden, schwärmt Frank. Hat man den jetzigen Zustand vor Augen - ein vermüllter Rasenstreifen auf Straßenhöhe, unten eine lieblose Strandbar -, wünscht man sich das schimmernde Ding sofort herbei.

Eine lange Multifunktionshalle mit 1.500 Quadratmetern plant Platoon auf dem Gelände, neben Ausstellungs- und Büroflächen soll es Ateliers für Gastkünstler geben, ein Café und eine große Terrasse. Eine neue Treppe soll hochführen zur Warschauer Straße, wo temporäre Bauten Einzelhandel, Büros und Gastronomie beherbergen sollen. Die Gewerbebebauung im Außenraum sei eine Bedingung des Geländeeigentümers, im Austausch überlasse er Platoon die Fläche bis Ende 2019, so Frank. Theoretisch könne man 2012 anfangen - davor müsse man aber noch viele Details klären.

Eines dieser Details, abgesehen von der Baugenehmigung und diversen Lärm- und Umweltauflagen, ist der Biergarten auf dem Gelände. Die Betreiber, die sich mit dem Eigentümer im Kündigungsstreit befinden, sitzen im Publikum und verfolgen stumm, wie der Kommunikationsprofi seine Visionen entspinnt. Dass auch der Eigentümer im Publikum sitzt und nichts zu den Ungereimtheiten sagen will, verstärkt das Gefühl von Irrealität, das diese Präsentation umwabert. Trotzdem hat man das Gefühl: Die können das. Wenn Frank von seinen Plänen erzählt, urbane Künstler aus aller Welt nach Friedrichshain zu holen, von der Idee, mit dem Backjumps-Festival und dem Designmai zusammenzuarbeiten, Nachtflohmärkte und Musikersymposien zu "hosten", dann hört sich das machbar an. Selbst die Idee, sich durch gelegentliche "Markenevents" für Kunden wie Adidas oder Becks zu finanzieren, wirkt nicht unerhört - auf dem RAW-Gelände gibt es bereits kommerzielle Einrichtungen.

Warum "Kunsthalle"?

Auch Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) ist begeistert, spricht von einem "tollen Projekt" mit Vorbildwirkung für die Gestaltung der Gegend. Nur: Warum soll es ausgerechnet "Kunsthalle" heißen, so wie die Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst, die der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit seit einigen Jahren plant? Auch der temporäre Bau am Schlossplatz, der letzten August geschlossen wurde, nannte sich "Kunsthalle". Vermarktbare "Galeriekunst" wolle man nicht zeigen, wehrt Frank ab. "Mit den Plänen des Senats haben wir nichts zu tun." Den in Asien etablierten deutschen Namen wolle man aber nicht aufgeben. Man darf auf die Zukunft des Containers gespannt sein.

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