Die CDU vor der Abgeordnetenhauswahl: Junior wartet auf Partner

Die CDU ist trotz schwacher Umfragewerte gelassen. Die Partei hat, unabhängig von ein paar Prozenten mehr oder weniger, gute Chancen - mindestens auf Koalitionsgespräche

Bestens gelaunt trotz mieser Umfragen: Berlins CDU-Chef Frank Henkel Bild: dpa

Der kräftige Mann auf dem Podium lächelt noch immer. Frustrierter würde man ihn erwarten, denn auch die jüngsten Umfragewerte haben keinen Aufschwung für die CDU gebracht. Schlecht schneidet seine Partei dabei ab, noch schlechter als bei der miserabel verlaufenen Wahl 2006. Doch CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel lehnt sich zurück und sagt: "Ich nehme amüsiert zur Kenntnis, dass Grüne und SPD um uns buhlen." Er hätte auch sagen können: Egal ob ein oder zwei Prozent mehr oder weniger - wir haben eine gute Chance, im nächsten Senat zu sitzen. Das sagt er natürlich nicht, es erklärt aber die gelassene Stimmung bei den Christdemokraten.

Die Lage unterscheidet sich tatsächlich deutlich von der vergangenen Wahl, als Henkels Vorgänger Friedbert Pflüger einen glücklosen und von Anfang an aussichtslosen Wahlkampf führte. Am Ende erzielte er mit 21,6 Prozent das schlechtesten Berliner CDU-Ergebnis der Geschichte. "Damals waren wir doch die Schmuddelkinder, mit denen keiner etwas zu tun haben wollte", erinnert sich ein CDU-Abgeordneter. Heute ist das anders. Vorausgesetzt, das künftige Parlament besteht nur noch aus vier Fraktionen, weil weder die FDP noch die Piratenpartei einzieht, gibt es nur drei wahrscheinliche Koalitionen. In zweien davon - Rot-Schwarz und Grün-Schwarz - ist die CDU vertreten. Nach zehn Jahren Opposition könnte die Partei wohl auch mit der Rolle als Juniorpartner leben. Nur wenn SPD und Grüne zusammenfinden, sitzt die Union nicht im Senat.

Als Grund für die parteiinterne Ruhe lässt sich natürlich noch anderes finden. Henkel etwa, über den nichts anderes zu hören ist, als dass er die Partei befriedet und zum inhaltlichen Arbeiten gebracht hat. Aber auch Thomas Heilmann, der Parteivize und Wahlkampfstratege. Er trichtert seiner Partei seit vielen Monaten ein, dass sich Zustimmungswerte nur in der Zeit direkt vor der Wahl wirklich beeinflussen lassen. Dass sich die Leute nur dann für Landespolitik interessieren würden. Dass die Parteifreunde also bitte schön ruhig bleiben sollen. Und letztlich wärmt sich die Partei noch immer an den Erfolgen bei der Europa- und der Bundestagswahl 2009: Da war die Union stärkste Partei in Berlin.

Somit lässt sich ein bisschen verstehen, dass Henkel bei einem Podiumsgespräch in der Schöneberger Urania auch noch die Chuzpe hat, nicht etwa von Grün-Schwarz, sondern von Schwarz-Grün als einer der diversen Koalitionsmöglichkeiten zu reden. Unwiderrufen bleibt aber, was er schon Ende 2009 der taz sagte, als die Grünen-Umfragewerte anzogen und die Kandidatur von Renate Künast noch eine bloße Idee war: Henkel schloss ein Bündnis mit den Grünen nicht aus und ergänzte: "Es gibt ungeschriebene Gesetze in der Politik, und eines davon lautet, dass die stärkste politische Kraft den Regierungschef stellt."

Die CDU als kleiner Partner der Grünen? Das war damals unerhört und für manchen seiner Parteifreunde unvorstellbar. Aber es gibt Momente, in denen man schlagartig merkt, dass bei Wählern und Parteien etwas in Bewegung geraten ist. Das war bei der Baden-Württemberg-Wahl so, als ein alter Bekannter, langjähriger Welt-Abonnent und strammer Konservativer, davon erzählte, dass er die Grünen gewählt habe, weil die CDU mit Mappus nicht mehr tragbar sei.

Und das ist in Berlin so, wenn man mit Kurt Wansner spricht. "Wir haben mit den Grünen in Kreuzberg ganz gute Erfahrungen gemacht", sagt der Mann, den die taz oft und gern als CDU-Rechtsausleger und Grünen-Fresser verortete, "auf die SPD ist hier kein Verlass, das ist ein unseriöser Haufen." Das sagt Wansner und nicht etwa einer der schwarz-grünen Kuschel-CDUler aus Zehlendorf. Und er sagt es über jene Grüne, die als Kreuzberger in der Schublade "Hardcore-Fundis" stecken.

Umgekehrt ist es einer, den man immer nahe bei den Grünen ansiedelte, der lieber mit der SPD koalieren würde, wenn er denn die Wahl hätte. Mario Czaja, der Vizefraktionschef, hat als Abgeordneter aus Hellersdorf weniger die viel zitierte und angeblich CDU und Grüne verbindende neue Bürgerlichkeit vor Augen. Ihm geht es um ganz praktische Dinge wie den Weiterbau der Autobahn 100 und eine neue Schnellstraße mit dem sperrigen Namen Tangentialverbindung Ost. "Das ist eher mit der SPD als mit den Grünen zu machen", sagt er.

Nicht alle machen wie Czaja und Wansner ihre Vorlieben so deutlich. Viele aus der Fraktion halten es wie Henkel und wollen sich vor dem Wahlabend am 18. September nicht festlegen. Von dem Bauexperten Manuel Heide, seit 1985 im Abgeordnetenhaus und damit dienstältester CDU-Abgeordneter, ist immerhin zu hören, er habe mit den Grünen in Bau- und Wirtschaftsfragen "überhaupt kein Problem". Klar sei aber auch, dass seine Kollegen aus der Innen- und Verkehrspolitik das anders sehen würden. Was darüber hinaus eine Rolle spielt: Aus der Bundes-CDU ist zu hören, dass mit Blick auf die Bundestagswahl 2013 ein Bündnis mit den Grünen auf Landesebene ganz gern gesehen würde.

Die Zurückhaltung hat natürlich auch taktische Gründe: Wer sich zu früh auf einen Partner festlegt, verbaut sich Alternativen und kann in Koalitionsgesprächen weniger gut pokern. Klar ist an den Umfrageergebnissen aber eine Tendenz abzulesen: Die Grünen lagen bis zu Künasts Kandidatur im November 2010 vorn, rutschten ab, schafften es nach Fukushima noch mal auf den ersten Platz und liegen nun bei 25 Prozent - deutlich hinter der SPD, aber immerhin sind sie fast doppelt so stark wie 2006.

Macht Klaus Wowereit als SPD-Spitzenmann nichts mehr falsch, gewinnt er die Wahl. Regierende Bürgermeisterin kann Künast dann nur in einem Bündnis mit der CDU werden. Diese Vorstellung ist vielen in ihrer Partei ein Gräuel. Gebetsmühlenartig erzählt Künast deshalb von der größere Schnittmenge mit den Sozialdemokraten. Nicht weniger deutlich aber sagt sie, dass sie in der Berliner Landespolitik Regierungschefin werden will und sonst nichts.

An den Christdemokraten und Frank Henkel, der sich da auf dem Podium in der Urania so gelassen gibt, würde das offensichtlich nicht scheitern. Einer der CDU-Vorderen hat jüngst mal darüber nachgedacht, Koalitionen neu zu definieren, sie mehr als Ehen auf Zeit oder Projektgemeinschaften zu sehen. Strittige Punkte - bei Grün-Schwarz vor allem die A100 - würden im Koalitionsvertrag außen vor bleiben und könnten Thema einer Bürgerbefragung werden, nach Vorbild des Bauprojekts "Stuttgart 21", das in der neuen baden-württembergischen Landesregierung aus Grünen und SPD umstritten ist, weshalb es einen Volksentscheid geben soll.

So erklärt sich dann auch ein Satz, den Henkel auf dem Podium sagt, ein Satz, der aufzeigen soll, dass die CDU nicht um jeden Preis an die Macht will: "Es wird keinen Koalitionsvertrag geben, in dem drinsteht, dass wir die A100 nicht weiterbauen." Das hört sich zunächst an wie eine eindeutige Absage an Grün-Schwarz - aber mit dem aufgezeigten Modell müsste so etwas ja gar nicht im Koalitionsvertrag stehen.

Persönlich hat Henkel nach eigenem Bekenntnis weder mit Wowereit noch mit Künast ein Problem. Das lässt sich im Landesparlament gelegentlich nachvollziehen, wenn der Regierende dem CDUler schon mal auf die Schulter klopft und die beiden locker plaudernd aus dem Plenarsaal gehen. Mit Künast, der Bundestagsfraktionschefin, gibt es diese Momente umständehalber noch nicht. Ungeachtet dessen lautet Henkels Einschätzung: "Mir sind beide nicht unsympathisch."

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