Kommentar Forschungsreaktor: Ein Dorf namens Berlin

Der Forschungsreaktor in Wannsee ist ein Anachronismus. Es gibt genug gute Gründe, um die Anlage abzuschalten.

Wir befinden uns im Jahr 2022. Das letzte Atomkraftwerk ist eben vom Netz gegangen, die Bundesrepublik ist frei von in Betrieb befindlichen Reaktoren. Die ganze Bundesrepublik? Nein, in ein paar kleinen Dörfern laufen weiterhin Forschungsreaktoren. Und eines dieser Dörfer ist Berlin.

Spätestens bei diesem Bild wird klar: Der Forschungsreaktor in Wannsee ist ein Anachronismus. Gebaut zu Zeiten der Teilung, als Westberlin ein Stück vom Forschungskuchen abhaben wollte. Und was sollte man machen? Viel Platz war ja nicht. Also ab nach Wannsee mit dem Ding.

Natürlich ist ein Forschungsreaktor leistungsmäßig nicht mit einem Atomkraftwerk zu vergleichen. Weniger Megawatt, kein Druck, weniger radioaktives Material. Und alles ist ja für einen guten Zweck, die Forschung. Doch ganz so einfach darf man es sich nicht machen. Es geht nicht nur darum, dass die Anlage am Rande eines so dicht bevölkerten Gebiets wie Berlin eher weniger schlau platziert ist. Man evakuiere die Bevölkerung im Ernstfall mal eben nach - ja genau, wohin? Es geht auch um grundsätzliche Fragen: etwa die nach Alternativen in der Forschung, die ohne radioaktives Material auskommen. Gibt es sie, und wenn ja, arbeitet man daran, oder geht man weiterhin den Weg, den man die ganze Zeit gegangen ist? Und natürlich um die Frage nach dem Verbleib des radioaktiven Mülls, der auch bei Forschungsreaktoren anfällt.

Wir könnten jetzt noch über Flugzeugabstürze und Terrorangriffe diskutieren. Doch eigentlich sollten es auch so genug Gründe zum Abschalten sein.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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