Grüne ringen um ihren Therapeuten

FLÜGELSTREIT Linke und Realos uneins über Mediator für Streitschlichtung. Künast will Aussprache

„Wir müssen alle zusammen eine Analyse machen“

Renate Künast

Ein Ende des Flügelstreits bei den Grünen war trotz einer Krisensitzung der Fraktion am Dienstag nicht absehbar. Nach Informationen der taz hat der Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann vorgeschlagen, zur Lösung des Konflikts zwischen Linken und Realos einen „klar strukturierten Gesprächsprozess“ zu starten. Die Gespräche sollen entweder von „professionellen Moderatoren aus grünem Umfeld“ geführt werden, heißt es in der Beschlussvorlage von Ratzmann, oder von zwei Vermittlern, „die von erkennbar unterschiedlichen Gruppierungen der Fraktion benannt werden“. Der Prozess sollte möglichst Ende November abgeschlossen sein. „Es verpflichten sich alle, über das Verfahren nichts gegenüber Medien verlauten zu lassen“, heißt es in dem Papier. Zudem solle in einem Jahr bei der turnusgemäß anstehenden Neuwahl der zweiköpfigen Fraktionsspitze angestrebt werden, dass diese dann die gesamte Breite der Fraktion widerspieglt.

Dirk Behrendt, führender Kopf des linken Flügels, hat hingegen darauf bestanden, dass zunächst einer der beiden in der vergangenen Woche gewählten Fraktionsvorsitzenden seinen Posten räumt. Danach solle ein Kompromisskandidat gewählt werden – Behrendt und auch Canan Bayram vom linken Flügel würden dann nicht mehr zur Wahl antreten. Die Diskussion hinter verschlossenen Türen sei konstruktiv, aber zäh, berichteten Teilnehmer. Ein Ende der Sitzung war bei Redaktionsschluss nicht absehbar.

Eine Woche zuvor waren bei der Wahl der beiden Fraktionsvorsitzenden Behrendt und Bayram gescheitert. In Kampfabstimmungen hatten sich die Amtsinhaber Ramona Pop und Volker Ratzmann durchgesetzt. Das linke Lager, dem sich 12 der insgesamt 29 Abgeordneten zurechnet, fühlte sich dadurch verprellt. Es hatte einen Platz in der Doppelspitze für sich beansprucht und erklärt, Pop und Ratzmann würden nicht die ganze Fraktion repräsentiert. Das Angebot der Realos an die Linken, sie könne KandidatInnen für die drei Stellvertreterposten vorschlagen, hatte Behrendt „unter den gegebenen Umständen“ ausgeschlossen. Die von ihm angestrebten weiteren Verhandlungen vor der Sitzung am Dienstag hatte wiederum Pop abgelehnt. Sie wolle keine Kungelrunden.

Bereits unmittelbar vor Beginn der Sitzung hatte sich abgezeichnet, dass ein externer Schlichter berufen werden soll. Strittig war jedoch, wer das sein soll. Behrendt bezeichnete den Berliner Bundestagsabgeordneten Wolfgang Wieland als „richtigen Mann“. Wieland hatte vor der Wahl der Fraktionsspitze einen Appell unterzeichnet, der eine stärkere Berücksichtigung des linken Flügels forderte. Nach der Wahl hatte er aber auch die Weigerung der Linken, den wiedergewählten Fraktionsvorstand nicht zu akzeptieren, heftig kritisiert. Für Ramona Pop kommt Wieland dennoch nicht in Frage. „Es sollte eine Person sein, die möglichst neutral, möglichst weit weg ist“, sagte sie, bevor sich die Fraktion zur internen Sitzung zusammensetzte.

Unterdessen forderte die gescheiterte Spitzenkandidatin, Renate Künast, ihre Partei zur Geschlossenheit auf. „Wir müssen alle zusammen eine Analyse machen“, sagte Künast angesichts des Streits in der Abgeordnetenhausfraktion. „Ich sehe auch verschiedene Punkte, die besser hätten laufen können. Ich weiß das auch von mir selbst“, sagte Künast. Die Grünen waren bei der Wahl am 18. September zwar auf 17,6 Prozent der Stimmen geklettert, aber dennoch weit hinter den Umfragewerten des Sommers geblieben. GEREON ASMUTH