Raus aus der Stadt, rauf aufs Schiff

Kennen Sie Berlin (Teil 8 und Schluss) Ein Kurztrip auf dem Wasser: mit der Fähre F 11 über die Spree

Die Fahrzeit: etwa zwei Minuten. Es reicht das Kurzstreckenticket

„Über sieben Brücken musst du geh’n“, lautet die Aufforderung des eigentlich einzigen Ost-West-Hits, den das mal zweigeteilte Deutschland hervorgebracht hat – allgemein popularisiert von Peter Maffay, aber eben aus dem Repertoire der Ostrocker Karat stammend. Womit das Brückenlied auch Berliner Provenienz ist. Und wen es über die Brücken treibt, der muss keine Verknappung fürchten in der Stadt, weil einem etwa 1.000 solcher Übergänge dafür zur Verfügung stehen. Damit hat Berlin mehr Brücken vorzuweisen als Venedig, auch eine hübsche Stadt am Wasser, in der allerdings Bootfahren nichts Besonderes ist. In Berlin schon.

Aber auch das lässt sich elegant mit dem öffentlichen Nahverkehr bewältigen. Eine Handvoll im Auftrag der Berliner Verkehrsbetriebe betriebener Fährlinien führen über Wasser. Leidenschaftliche Schiffsverkehrsliebhaber wählen die F 10 über den Großen Wannsee. Das ist die mit viereinhalb Kilometern längste Fährstrecke. Zum Schnuppern aber empfiehlt sich die F 11 zwischen Baumschulenstraße und Wilhelmstrand über die Spree. Das ist die älteste Fährlinie der Stadt, seit 1896 im regulären Betrieb. Nur „bei Sturm, Nebel oder starker Eisbildung kann der Verkehr eingestellt oder der Fahrplan nicht eingehalten werden“. Ansonsten fährt man alle 20 Minuten. Fahrzeit ungefähr zwei Minuten. Es reicht das Kurzstreckenticket.

Um erst mal zur Ablegestelle zu kommen, nimmt man am besten das Rad. Schön ist die Fahrt, von Kreuzberg kommend, beispielsweise durch den Görlitzer Park, hin zur Spree und die Uferpromenade entlang durch den Treptower Park, vorbei am Sowjetischen Ehrenmal mit seinem imposanten Stalinismus und rein in den Plänterwald, wo sich früher mal die DDR vergnügte, rund um das Riesenrad als dem Wahrzeichen des „Kulturparks Plänterwald“. Das Rad dreht sich schon lange nicht mehr, und der Rummelplatz ist in der Geschichte zurückgeblieben und in einen Dornröschenschlaf gefallen, den man sich auch begucken kann: Es gibt Führungen durch das ansonsten abgeschlossene Gelände (www.berliner-spreepark.de), oder man macht gleich ein längeres Survivaltraining (www.natural-touring.de).

Die Fahrt mit der Fähre über die Spree ist dann das eher kurze Vergnügen. Zwei Minuten, in denen man sich durchaus überlegen könnte, ob man nicht doch gleich weiter durchfahren will nach St. Petersburg auf dem Europaradweg R1, der über die Fähre führt (zu beachten allerdings: Russland ist visapflichtig). Denn ansonsten winkt auf der anderen Seite tatsächlich nicht so viel. Nichts Beschauliches jedenfalls für den Ausflüglerblick, weil sich die Stadt hier einfach mal alle Anmut verkneift und stattdessen schlicht aufzählt, was so zu einer Stadt dazugehört. Dabei kümmert sie sich nicht groß um eine besondere Ordnung, was der kruden Gemengelage auf dieser Spreeseite mit Kleingartensiedlung, Industriebauten, Brachen und den riesenhaften Anlagen des Kraftwerks Klingenberg einen rauen Charme verleiht. Vorstädtisches, notdürftig festgezurrt an der vierspurigen Köpenicker Chaussee.

Dort entlang geht es zurück. Stück für Stück setzt sich dabei Stadt zusammen und wird in der tendenziell steigenden Spätkauf- und Kneipenrate tatsächlich auch wieder zu Berlin. Über die Oberbaumbrücke, eines der hübschesten Beispiele unter den vielen Brücken der Metropole, kommt man zurück nach Kreuzberg. THOMAS MAUCH