Interview zu Mietkosten von Hartz-IV-Empfängern: "Die Leute finden einfach keine Wohnung"

Die Kampagne gegen Zwangsumzüge will gegen die neue Verordnung zu Miet- und Heizkosten von Hartz-IV-Empfängern vor Gericht ziehen. Die Sätze für die Erstattung gingen an der Realität vorbei.

"Miet mich", steht an dieser Wohnung. Aber zu welchem Preis? Bild: dpa

taz: Frau Baumert, der Senat will die Richtwerte für die Erstattung von Miet- und Heizkosten für Hartz-IV-Empfänger leicht erhöhen. Sie haben angekündigt, dagegen zu klagen. Warum?

Karin Baumert: Die Verordnung ist unserer Auffassung nach gesetzeswidrig und muss kassiert werden. Laut Bundesgesetz müssen die Kommunen – hier also der Senat – Sätze für Mieterstattungen festlegen, die den realen Mieten entsprechen. Nun gab es nur eine unzureichende pauschale Erhöhung der Richtwerte. Zudem hätte das Ganze vom Abgeordnetenhaus statt vom Senat beschlossen werden müssen.

Inwiefern ist die Erhöhung der Richtwerte unzureichend?

Ein Hartz-IV-Empfänger bekommt nicht einmal den Mietspiegelwert erstattet. Kommt eine Mieterhöhung, müssen die Betroffenen Geld vom Regelsatz abzwacken, sich mit Ein-Euro-Jobs Geld hinzuverdienen – oder schwarzarbeiten.

56, ist Theaterpädagogin und Kommunikationstrainerin. Sie arbeitet seit sechs Jahren ehrenamtlich für die Berliner Kampagne gegen Zwangsumzüge.

Umziehen ist keine Lösung?

Für eine neue Wohnung muss man deutlich mehr Miete bezahlen. Die Leute finden in Berlin einfach keine Wohnung zu solch niedrigen Mieten, wie sich der Senat das vorstellt. Da ist es ein Skandal, dass das Jobcenter weiterhin jedes Mal vorab zustimmen muss. Man ist doch chancenlos, wenn es 60 Interessenten für eine Wohnung gibt und man erst das Jobcenter fragen muss. Es braucht feste Sätze, die auf jeden Fall erstattet werden.

In manchen Bezirken gibt es doch billigere Wohnungen.

Vielleicht kriegt man weit weg noch eine kleine Neubauwohnung. Nichts gegen Spandau oder Hohenschönhausen – aber das ist wie ein Umzug in eine andere Stadt. Deshalb bleiben die Leute so lange wie möglich in ihrer bisherigen Wohnung. Irgendwann steht dann ein Zwangsumzug an. Und das ist dramatisch: Die Leute fliegen aus Ihrer Wohnung und haben keine Chance, eine andere zu finden. Von der Politik geht das Signal aus: Hartz-IV-Empfänger haben in dieser Stadt nichts mehr zu suchen.

Wie viele Berliner sind von Zwangsumzügen betroffen?

Das ist schwer zu sagen. Konkrete Zahlen haben wir nicht. Viele Betroffene schämen sich unendlich, so dass wir es nicht wirklich mitkriegen. Klar ist, dass die Fälle massiv zugenommen haben.

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