Vorübergehende Bleibe für Verwirrte

ALTERUNG In vier Bezirken gibt es inzwischen Schutzräume für Demenzkranke, die in der Stadt umherirren

Trauriger hätte es nicht enden können. Wolfgang H. machte im Juni vergangenen Jahres mit seiner Frau einen Ausflug von Berlin nach Hamburg. Als das Auto dort auf einer Brücke hielt, stieg der demenzkranke 68-Jährige plötzlich aus dem Wagen und verschwand. Die Polizei fahndete nach ihm, erfolglos. Im März stießen Mitarbeiter einer Firma an einer Uferböschung des Tidekanals auf einen männlichen Leichnam. Wie die Polizei am Dienstag mitteilte, haben Rechtsmediziner ihn inzwischen als Wolfgang H. identifiziert.

Auch in Berlin kommt es immer wieder vor, dass Demenzkranke weglaufen und dann durch die Stadt irren. Wenn die Polizei auf sie aufmerksam wird, aber ihre Identität nicht gleich klären kann, muss sich jemand um diese Menschen kümmern. In Charlottenburg-Wilmersdorf, Spandau und Mitte gibt es deshalb schon länger Schutzräume für Demenzkranke.

Bitte der Polizei

Anfang April zog Friedrichshain-Kreuzberg nach: Seitdem kümmert sich im westlichen und östlichen Ortsteil jeweils eine Pflegeeinrichtung um Demente, bis deren Wohnort ermittelt wird.

Die Polizei habe sich an den Bezirk gewendet mit der Bitte um solche Anlaufstellen, berichtet Sabine Schweele vom Bezirksamt. „Die Polizisten müssen sonst für die Menschen sorgen, sind darauf aber nicht eingerichtet.“ Bürgerinnen und Bürger fordert das Bezirksamt auf, offensichtlich verwirrte ältere Menschen vorsichtig anzusprechen, die Polizei zu rufen und bei ihnen zu bleiben, bis die Beamten eintreffen.

Zwar gehört Friedrichshain-Kreuzberg zu den jüngeren Bezirken Berlins. Der Anteil der über 65-Jährigen liegt hier unter 10 Prozent. Zum Vergleich: In Charlottenburg-Wilmersdorf kommen die Rentner auf 22 Prozent. Trotzdem mache sich die Alterung der Gesellschaft auch in Friedrichshain-Kreuzberg bemerkbar, so Schweele. Das Problem von umherirrenden Demenzkranken sei in letzter Zeit gehäuft aufgetreten – ohne dass die Versorgung geklärt war. Schweele sagt: „Da gab es schlicht eine Lücke.“ ANTJE LANG-LENDORFF