WAS BISHER GESCHAH (3)
: Der Star und sein Ensemble


Angelina Jolies Schauspieler reden, als wäre eine Produktion vor allem eine Übung in Sachen Demut

Zählt man den Moderator dazu, teilen sich zehn Leute die Bühne. Drei Schauspielerinnen und fünf Schauspieler hat Angelina Jolie auf die Pressekonferenz ihres Regie-Erstlings „In the Land of Blood and Honey“ mitgebracht. Das ist natürlich ein Statement: Seht her, ich bin nur eine von vielen. Wir haben das gemeinsam zustande gebracht, Bosnier und Serben und ein Hollywood-Star. Die versammelten Pressevertreter werden dennoch ihre Fragen (fast) ausschließlich nur an eine Person richten. Und weil das so vorhersehbar ist, bittet der Moderator zu allererst das Ensemble darum, von den Erfahrungen bei den Dreharbeiten zu berichten.

Während die Schauspieler ihre Statements abgeben, blickt die Regisseurin jeden und jede konzentriert an. Die Hände hält sie unter ihrem Kinn verschränkt. Manchmal nickt sie zu bestimmten Aussagen. So könnte auch eine Lehrerin dreinschauen, die mit viel Stolz und ein wenig skeptisch den Auftritt ihrer Lieblingsschüler begleitet. Tatsächlich betonen mehrere Darsteller, wie viel sie von „Angelina“ oder „Angie“ gelernt haben. Die Regisseurin wird das Kompliment zurückgeben. Natürlich fallen die bei solchen PR-Terminen üblichen Floskeln von der „wundervollen Erfahrung“ und den durchweg „großartigen Kollegen“. Aber mehr als üblich ist vor allem die Rede davon, wie sehr sich alle bemüht haben. Als wäre der Film kein selbst gewähltes Projekt, sondern eine von außen auferlegte Aufgabe. Als wäre eine Produktion vor allem eine Übung in Sachen Demut und die Frau im Zentrum der Bühne tatsächlich nichts weiter als eine hoffnungsvolle Debütantin auf einem A-Festival.

Überdeutlich wird, wie allen Beteiligten daran gelegen ist, Bedenken der offensichtlichsten Art auszuräumen: Hollywood-Diva, Glamourkönigin, Fotomodel – wie soll das mit den Leiden der Frauen zusammengehen, die im Krieg Opfer systematischer Vergewaltigungen wurden? Für die Medien in Belgrad stand schon während der Dreharbeiten fest, dass es sich bei dem Film nur um ein antiserbisches Machwerk handeln könne. Auf dem Pressegespräch in Berlin bleibt diese Kontroverse über den Film weitgehend ausgespart. Der Journalistin des staatlichen serbischen Fernsehens, die dem Film Parteinahme und Verzerrung vorwirft, wird entgegnet: Jeder Krieg hat sehr viele verschiedene Aspekte. Dieser Film hat sich für einen davon entschieden. Und ja, man weiß, dass mit Opferzahlen Politik betrieben wird. Da ist die Filmemacherin Jolie nicht mehr von der diplomatischen UN-Sonderbotschafterin zu unterscheiden.

Als sie zuletzt gefragt wird, wie sie nach einem solchen Projekt wieder in den üblichen Blockbustern auftreten kann, antwortet sie: Es wird ein guter Ausgleich sein, wieder etwas für Kinder zu machen.

DIETMAR KAMMERER