Angst vor dem „a“

■  Der Wunsch: In der sonntaz berichten wir jede Woche über ein Thema, das ein Leser oder eine Leserin vorgeschlagen hat. Diesmal kam die Anregung von Norbert Schott, der mehr über die mögliche Einführung einer neuen Schrift wissen möchte – und über die Unterschiede existierender Schriften: „Als junger Vater finde ich das Thema interessant. Vielleicht sollte einmal an Beispielen aufgezeigt werden, woran die Unterschiede festzumachen sind“.

■  Der Weg: Senden Sie Ihren Wunsch an open@taz.de oder mit der Post an die tageszeitung, Annabelle Seubert, Rudi-Dutschke-Str. 23, 10969 Berlin

Es war mein Feind, das kleine „a“. Es passte einfach nicht. In die vier Linien, in die Erstklässler schreiben. Passte nur bei den anderen. Schmiegte sich an die obere Linie. Legte sich auf die untere.

Mein „a“ rumste in die falsche Zeile. Rutschte weg. Blieb nie in der Mitte. Nie da, wo es sein sollte.

Zuerst mochte ich das kleine „a“. Fand es schön. Das feine Häkchen. Der runde Bauch. War stolz, dass es in meinem Namen vorkam. War stolz, als ich der Lehrerin meine Schreibproben überreichte.

War verstört, als sie mir wiedergegeben wurden. Seite 1: Durchgestrichen. Mit Rotstift. Seite 2: Ein Wort: „Nochmal“. Eine Drohung. Mit Rotstift.

Es war nur der Anfang, das „Nochmal“. Denn das „Nochmal“ kam noch mal. Und noch mal.

Das Schielen in andere Hefte wurde schmerzlicher. Die „a“s darin wurden schöner. Geschmeidiger.

Dachte, ich würde es nicht hinkriegen. Dachte, ich müsste Klasse eins wiederholen. Dachte, ich würde aus der Schule fliegen.

Der vierte Versuch klappte. Die Buchstaben flutschten nicht länger in falsche Zeilen. Blieben in der Mitte. Da, wo sie sein sollten.

Warum und wie, weiß ich nicht mehr.

Heute mag ich das große „A“.