Olympischer Fackellauf fast wie damals

Die taz freut sich wie der Rest der Stadt, dass heute die Nazi-Idee des olympischen Fackellaufs, vor 68 Jahren erfunden, wieder aufgegriffen wird. Für die Läuferinnen und Läufer hier eine kurze Handreichung über die Strecke und ihre Sehenswürdigkeiten

VON PHILIPP GESSLER

„Das Olympische Feuer kehrt zurück nach Berlin“, freut sich die Berliner Zeitung – und wenn heute angeblich die ganze Stadt so wunderbaren Fackelläufern wie dem Schlagersänger Bernhard Brink zujubelt, will die taz nicht miesepetrig nebenan stehen: Ja, wir freuen uns, dass die Nazi-Idee eines Fackellaufs anlässlich der Olympischen Spiele wieder aufgegriffen wird. Endlich, fast sieben Jahrzehnte nach Hitlers Spielen von 1936, darf die Hauptstadt wieder olympisches Feuer schnuppern. Hier eine kleine Handreichung, wo Sie den alten Geist am besten spüren können:

Der Höhepunkt gleich zu Beginn, am Olympiastadion beginnt um 12.00 Uhr der Fackellauf. Hier eröffnete der Führer vor 68 Jahren die Spiele. Die Läufer können sich dort ergötzen an Nazistatuen voll arischer Gesichtsverkrampfung und Muskeln hart wie Kruppstahl. Damals wurde die Fackel hierher zum „Reichssportfeld“ getragen. Heute erreicht das olympische Symbol gegen 12.20 Uhr die Reichsstraße. Weiter geht es zum Theodor-Heuss-Platz, der früher Adolf-Hitler-Platz hieß. Bald kommt die Deutschlandhalle in Sicht, der ganze Stolz der Nazis, die sie bauten. Vorbei am Funkturm, von wo 1936 erstmals die Tonsignale der Fernsehaufnahmen vom Wettkampf im benachbarten Stadion ausgingen. Das Fernsehen, ein prima Propagandainstument der Nazis, fast so gut wie der Volksempfänger.

Den Kaiserdamm geht es runter – vor 68 Jahren zeigten die dortigen Kunsthallen eine olympische Kunstausstellung. Über die Schlossstraße, die Otto-Suhr-Allee und den Ernst-Reuter-Platz kommt die Fackel schließlich auf die Straße des 17. Juni – wie damals, als sie noch Charlottenburger Chaussee hieß. Hier sind noch Laternen von NS-Rüstungsminister Albert Speer zu bewundern. Ebenso wie die Siegessäule, die die Nazis zum heutigen Standort auf dem Großen Stern gebracht haben. Jetzt können die Läufer auf die Trophäen des letzten deutschen Sieges 1871 schauen. Weiter geht es über ein paar Ecken zum Rosa-Luxemburg-Platz, früher: Horst-Wessel-Platz.

Über Friedrichshain und Kreuzberg erreichen die Sportler dann den Zentralflughafen Tempelhof, das klassische Beispiel monströser Nazi-Architektur. Einen kleinen Schlenker macht der Fackellauf zum Columbiadamm, wo zur NS-Zeit ein Barackenlager für 300 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene stand. Über die Dudenstraße läuft die Fackel dann, hier ist noch der „Großbelastungskörper“ Speers, ein 21 Meter hoher Betonkoloss mit einem Gewicht von 12.360 Tonnen, zu erkennen. Zwischen 18.15 und 18.30 Uhr soll das Feuer auf der Tiergartenstraße zu sehen sein, wo in einer Villa mit der Hausnummer 4 das „Euthanasie“-Programm der Nazis, deshalb „T 4“ genannt, konzipiert wurde. Einen Steinwurf entfernt ist auch der Bendler-Block, wo die Hitler-Attentäter des 20. Juli vor 60 Jahren hingerichtet wurden.

Am Kulturforum geht es vorbei, einem Areal, das Speer freibomben ließ, um hier seine „Germania“-Träume verwirklichen zu können. Dann geht es zum Potsdamer Platz, man kreuzt die Ebertstraße, die einst nach Hermann Göring benannt war. Von fern sieht man das entstehende Holocaust-Mahnmal – und von der Leipziger Straße aus die Wohnblöcke, die auf den Resten der früheren Reichskanzlei Hitlers errichtet wurden. Der Fackellauf erreicht über die Friedrichstraße gegen 19.06 Uhr den Dom neben dem Lustgarten, wo 1936 die erste Station des Olympischen Feuers eine „Weihestunde“ war. Unter den Linden geht die Fackel heute am Denkmal für die Bücherverbrennung auf dem Bebelplatz vorbei, um schließlich wie vor 68 Jahren gegen 19.15 Uhr den Pariser Platz zu erreichen. Am dortigen Brandenburger Tor zogen am 30. Januar 1933 die SA-Fackelträger vorbei, die die Machtübernahme Hitlers bejubelten. Der Impressionist Max Liebermann, der später als „entartet“ galt, kommentierte den Fackelmarsch damals mit dem Spruch, er könne gar nicht so viel fressen, wie er kotzen wolle. Wir aber freuen uns auf die Fackel in der Reichs- äh, in der Hauptstadt!