Erste Station nach der Flucht aus dem Iran

Der Verein iranischer Flüchtlinge hilft Menschen, die vor Krieg und Repression geflohen sind. Er bietet Sprach- und Integrationskurse an und fördert den Austausch zwischen Iranern und Deutschen. Heute feiert er 20-jähriges Bestehen

Als 16-jähriges Mädchen kam Mehrnoush Tarkashvand 1988 nach Deutschland. Ihre Familie hatte aus dem Iran fliehen müssen, der Vater hatte sich in einer verbotenen Oppositionsbewegung engagiert. Sie wurden in einem Asylbewerberheim untergebracht. Dort waren sie sicher, aber zugleich auch verloren zwischen zwei Welten: der vertrauten Umgebung des Iran, die sie zurücklassen mussten, und der neuen ihres Gastlandes, in der sie noch nicht angekommen waren. Das Asylverfahren zog sich hin.

Es war in dieser Zeit der Unsicherheit, als die Familie unerwarteten Besuch bekam. „Ein Mitarbeiter des Iranischen Flüchtlingsvereins kam auf uns zu und hat uns seine Hilfe angeboten“, erinnert sich Tarkashvand. Sie nahm an Deutschkursen des Vereins teil und an Seminaren über die deutsche Politik. „Der Verein hat mir viel Halt gegeben“, erklärt die heute 33-Jährige, die bei einem privaten Jugendradio arbeitet. Noch viel wichtiger sei der Verein für die Jugendlichen gewesen, die damals ohne ihre Eltern aus dem Iran geflohen seien. „Davon gab es viele. Bis 1988 durften unter 16 Jahre alte Männer den Iran verlassen – der einzige Weg, um nicht zum Kriegsdienst gegen den Irak eingezogen zu werden.“ Heute Abend feiert der Verein iranischer Flüchtlinge in der Neuköllner Werkstatt der Kulturen sein 20-jähriges Bestehen mit einem Festakt.

Gegründet wurde er im Sommer 1986. In diesem Jahr hatte die Zahl derer, die aus dem Iran nach Deutschland flohen, mit knapp 22.000 ihren Höhepunkt erreicht. Sieben Jahre zuvor war es im Iran zur Revolution gekommen, die Islamische Republik wurde ausgerufen.

Die Mitarbeiter des Vereins geben kostenlosen Deutschunterricht und Integrationskurse. Auf solche Leistungen hätten die Neuankömmlinge eigentlich erst Anspruch, wenn ihrem Asylantrag stattgegeben wurde – ein Prozess, der sich über Jahre hinziehen kann. Außerdem gibt es einen Begleitservice für Ämtergänge oder elterliche Schulbesuche. „Im vergangenen Jahr haben unsere Mitarbeiter über 2.500 persönliche und telefonische Beratungsgespräche geführt“, erklärt Vereinsvorstand Hamid Nowzari. „300 Mal wurde unser Begleitservice in Anspruch genommen.“ Der Iraner, der 1980 als politisch Verfolgter nach Berlin gekommen war, ist seit 1991 für den Verein tätig. Zwischen 20 und 30 Mitarbeiter zählt er zum „harten Kern“ des Vereins.

„In den 80er-Jahren waren es vor allem Kriegsflüchtlinge oder politisch Verfolgte, die nach Deutschland kamen“, erklärt Nowzari. „Seit den 90ern gibt es eine neue Flüchtlingsgeneration: Studenten, Frauenaktivistinnen, regimekritische Akademiker.“ Nach wie vor entstammten viele der Flüchtlinge der Bildungsschicht. Für Nowzari liegt darin ein Grund für die Integrationserfolge der iranischstämmigen Familien. Weil viele der Flüchtlinge gut ausgebildet seien, könnten sie hier qualifizierte Berufe ergreifen – etwa im medizinischen Bereich.

Der Verein trägt zur Integration bei. „Wir sind stolz darauf, dass unsere Projekte nicht zur Abkapselung führen.“ Worum es Nowzari geht, ist der kulturelle Dialog. Zweimal pro Woche würden Kurse angeboten, die etwa die Geschichte Berlins zum Thema haben, das deutsche Schulsystem oder die politische Partizipationsmöglichkeiten.

Auch Mehrnoush Tarkashvand ist inzwischen für den Verein tätig. Als ihre Deutschkenntnisse gut genug waren, hat sie die Rollen getauscht und Sprachkurse für Neuankömmlinge gegeben. Nun organisiert sie Podiumsdiskussionen und moderiert Veranstaltungen. Auch die Jubiläumsveranstaltung heute: Dort werden neben Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) der Integrationsbeauftragte des Senats, Günter Piening, und Mehmet Alpbek vom Migrationsrat Berlin-Brandenburg sprechen. Markus Wanzeck