stille orte
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Fortsetzung

… St. Hedwigs-Kathedrale. Im katholischen Pantheon am Bebelplatz könnte man Stunden verbringen – wäre der Raum nicht so überirdisch hässlich und herrschte nicht ein ständiges Kommen und Gehen. Also weiter.

Überflüssig der Schlenker zur St.-Marienkirche. Die nimmt Eintritt, wenn auch keine unverschämten fünf Euro wie der Berliner Dom. Gratis darf hier laut Kassenfrau nur rein, wer gegenüber dem Türsteher das dringende Bedürfnis nach einem Gebet äußert. Traurig muss man darob nicht sein: Der Dom ist eine Touristenfalle – kein Ort, an dem man zu sich fände.

Die Staatlichen Museen locken mit wenig frequentierten Stille-Oasen (etwa dem Münzkabinett der Antikensammlung), dank der saftigen Ticketpreise eignen sie sich aber genauso wenig für unsere Zwecke wie der Monbijoupark. Das kleine grüne Fleckchen ist zwar gratis, aber von Auto, S-Bahn und ICE hoffnungslos durchlärmt.

Eine kleine Auszeit gönnen wir unseren strapazierten Ohren in den hinteren Hackeschen Höfen. Etwa in Hof V, wo es schon so leise ist, dass man aus einem Fenster Geigenspiel vernehmen kann. Leider stolpern ständig irgendwelche Schwaben auf der Suche nach dem Spirit von Mitte vorbei. Wir ziehen uns zurück.

Und machen eine fantastische Entdeckung: Es gibt ihn, den perfekten Ort der Stille, und es ist tatsächlich eine Kirche: Die Sophienkirche an der Großen Hamburger Straße hat nicht nur Berlins barockesten Turm, sie öffnet auch täglich zwischen 13 und 18 Uhr ihre Türen. Hier ist man endlich ganz mit sich allein. Wie Samt legt sich die Stille um die Besucher, schwer, fast greifbar. Ganz schwach dringt einmal Rabengekrächz durch die Fenster. Als wir endlich genug haben und uns von der Bank erheben, scheint sich der ganze Raum mit Knarren zu füllen. CLAUDIUS PRÖSSER