Berlin verbaut seine Fläche: Bahn frei für Bagger

Der neue Landesentwicklungsplan schützt Freiraum zu wenig und steuert die Siedlungsentwicklung nur unzureichend, kritisieren Experten. Stadtentwicklungssenatorin zeigt sich unbeeindruckt.

So unverbaute Flecken soll es auch weiterhin am Berliner Stadtrand geben Bild: ap

Unumstritten sind die Entscheidungen von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) selten, diesmal aber hagelt es Kritik schon vor dem offiziellen Beschluss: Der Landesentwicklungsplan (LEP), den Berlin und Brandenburg gemeinsam verabschieden, müsste deutlich nachgebessert werden, forderten Umweltverbände, Wissenschaftler und Opposition am Montag unisono. Ihr Protest verhallte; der Generalplan zur Flächenentwicklung soll unverändert in Druck gehen. Dabei handelt es sich um die richtungsweisenden Strategien für Land und Stadt für die nächsten Jahrzehnte, an denen sich untergeordnete Planungen orientieren müssen - ein gesunder Streit darüber mit Experten hätte das Vorhaben befruchten können.

Der LEP soll das Wachstum in der Region steuern. Bislang orientierten sich die Verantwortlichen damit beim Siedlungsbau weitgehend an den S-Bahn-Achsen, die strahlenförmig von Berlin ins Umland reichen. In dem neuen Planwerk werden die dazwischen liegenden Grünzüge weniger umfassend geschützt; alles, was nicht Landschaftsschutzpark, Naturschutzgebiet oder Großschutzgebiet ist, kann als Gewerbegebiet ausgewiesen werden.

"Wir hätten uns gewünscht, dass die Ziele zur Freiraumentwicklung konkretisiert werden", sagte dazu Gertrude Penn-Bressel vom Umweltbundesamt. Zudem hätte ein Erfolgskriterium festgeschrieben werden müssen, um die Zerschneidung von Landschaften zu messen und zu bewerten. "Siedlungsfläche muss stärker auf die Haltepunkte des Schienennahverkehrs konzentriert werden", sagte Penn-Bressel vor den Abgeordneten im Stadtentwicklungsausschuss.

Innen- vor Außenentwicklung war bislang auch stets ein Leitmotto von Senatorin Junge-Reyer. Im LEP schlägt davon wenig durch. Penn-Bressel regte an, einen maximalen Siedlungsverbrauch von 6 Hektar pro Tag festzuschreiben - immer noch viel, aber deutlich weniger als die derzeitigen knapp 10 Hektar, die im Land mit Straßen- und Gebäudebau versiegelt werden.

Flächenverbrauch trifft nicht nur unmittelbar Tier und Natur, sondern mittelfristig auch den Menschen: Das Klima verändert sich, die Grundwasserversorgung ist gefährdet. "In diesem Plan wird einseitig auf Siedlungsentwicklung geschaut, viel zu wenig auf die Freiflächensicherung", schimpfte denn auch der Geschäftsführer der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz, Manfred Schuster. "Die Aspekte Wasserhaushalt und Wasserversorgung kommen zu kurz." Schuster bewertete ebenso wie Arno Bunzel vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) die Möglichkeiten, Gewerbegebiete auszuweisen, als zu wenig konkret. Mancherorts dürfe Gewerbe direkt an Naturschutzgebiete angrenzen oder sogar hineinreichen - mit deutlicheren Impulsen hätte dies vermieden werden können.

Bei den Grünen, die die Anhörung erwirkt hatten, stießen solche Argumente auf offene Ohren. "Trotz einer Bevölkerungsentwicklung, die nur geringe Zuwächse für den engeren Verflechtungsraum bringt, steuert die gemeinsame Landesplanung die Siedlungsentwicklung viel zu wenig", bilanzierte denn auch Fraktionsvorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig.

Wenn an dem Plan nichts geändert werde, würden Berlin und Brandenburg in den kommenden Jahren viel ökologischen Schaden anrichten und Geld für nicht lebensfähige Bau- und Gewerbegebiete ausgeben, warnte sie. Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer zeigte sich unbeeindruckt. Beide Landesregierungen hätten in einem "intensiven Prozess Möglichkeiten gefunden", sagte sie nur. Das Plenum muss dem LEP nicht zustimmen, er wird in Form eines Staatsvertrags unterzeichnet. Im Ausschuss fand sich nicht einmal eine Mehrheit, um eine Stellungnahme abzugeben - selbst Abgeordnete anderer Fraktionen zuckten mit den Schultern und sagten, es sei jetzt zu spät. "Jetzt wissen wir ja, was wir in wenigen Jahrzehnten erwarten können", sagte Penn-Bressel vom UBA nach der Anhörung resigniert. "Ein Siedlungs-Schlamassel."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.