Wowereit fliegen die Taktstöcke um die Ohren

ORCHESTER Chefdirigent am Konzerthaus will Job aufgeben, Wowereit will das nicht wahrhaben

„Wir waren auf die Kündigung von Lothar Zagrosek nicht vorbereitet“

KLAUS WOWEREIT

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verschickt nicht nur reichlich Kündigungen an seine Kulturarbeiter – siehe Staatsoperintendant Peter Mussbach sowie Opernstiftungdirektor Stefan Rosinski. Er erhält jetzt auch vermehrt Abschiedsbriefe. Nachdem vor drei Wochen Ingo Metzmacher, Chef des Deutschen Symphonie-Orchesters, angekündigt hatte, seinen Vertrag über das Jahr 2010 hinaus nicht zu verlängern, will jetzt Lothar Zagrosek aus seinem Job aussteigen.

Der Chefdirigent des Konzerthauses am Gendarmenmarkt teilte mit, seinen Vertrag wegen „fehlender Unterstützung“ für das Konzerthausorchester über die Spielzeit 2010/2011 nicht verlängern zu wollen. Am Montag signalisierte Zagrosek zwar noch einmal Gesprächsbereitschaft mit der Berliner Kulturverwaltung. Mit einer Rücknahme der Kündigung rechnet derzeit aber niemand.

Wowereit zeigte sich überrascht über Zagroseks Ankündigung. „Wir waren darauf nicht vorbereitet“, sagte er. Man wolle nun klären, ob die Kündigung „endgültig ist“. Sollte der Chefdirigent bei seinem Vorhaben bleiben, müsse die Nachfolge „so schnell wie möglich geregelt werden“.

Für das Konzerthaus bedeutet die Kündigung wenig Gutes. Zagrosek (66), der zuvor das Stuttgarter Opernhaus geleitete, hatte sein Amt im Jahr 2006 angetreten und das Landesorchester sowohl künstlerisch mit Erfolg geführt als auch eine Programmerneuerung durchgesetzt. Mit 13.000 Abonnenten liegt das Konzerthaus derzeit auf Rang zwei hinter den Berliner Philharmonikern. Das Haus hatte aber in der Spielzeit 2008 Einbußen bei den Zuschauerzahlen zu verzeichnen.

Als Grund für den Rückzug des Dirigenten gilt, dass dem Konzerthaus die Mittel von rund 18 Millionen Euro 2008 nicht ausreichen. Orchestervorstand Ernst-Burghard Hilse kritisierte die mangelnde Unterstützung durch die Politik. Der Senat habe nicht einen Euro mehr springen lassen als nötig, sagte Hilse.

Mit dem möglichen Ausstieg der beiden Chefdirigenten hätte Wowereit mehr kulturpolitischen Ärger, als ihm lieb sein kann. Denn an der Deutschen Oper an der Bismarckstraße steht die nächste Personalie an: Intendantin Kirsten Harms soll abgelöst werden. Alice Ströver, Kulturexpertin der Grünen, kritisierte „die Hire-and-Fire-Politik“ Wowereits und dessen dauerndes Personalkarussell.

ROLF LAUTENSCHLÄGER