Berlins neuer Finanzsenator: Mit dem Bentley nach Berlin

Ulrich Nußbaum tritt am Donnerstag die Nachfolge von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) an. Den Berlinern hat der Bremer soziales Augenmaß versprochen.

Der neue Finanzsenator Bild: Reuters

Wochenlang war es still um den designierten Berliner Finanzsenator - am heutigen Donnerstag nun soll Ulrich Nußbaum das Erbe von Thilo Sarrazin antreten. "Ohne Einarbeitungszeit" könne er die Rolle ausfüllen, hatte sein künftiger Chef, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), den 52-Jährigen bei seiner Vorstellung gelobt. Das sollte offenbar bedeuten: Erst wenn der Alte gegangen ist, kommt der Neue. Wowereit scheint eine Ahnung davon zu haben, dass die Chemie zweier selbstbewusster Persönlichkeiten keine Überschneidungen zulässt.

Doch wer ist dieser gut aussehende, gebildete und eloquente Mann? Der fließend Englisch und Französisch spricht, Maßanzüge mit Einstecktuch trägt und in Bremerhaven in einer Villa im Stadtteil "Bürgerpark" wohnt. An Selbstbewusstsein mangelt es dem wohlhabenden Unternehmer nicht - aber Nußbaum ist alles andere als arrogant.

Als er sich vor Wochen auch den Koalitionspartnern der Linkspartei in Berlin vorstellte, waren die angenehm überrascht über Nußbaums direkte, freundliche Art und seine sozialpolitischen Bekenntnisse.

Privat pflegt Nußbaum allerdings einen aufwändigen Lebensstil. So ließ er es sich nicht nehmen, zu seiner Vorstellung in Berlin mit seinem beige-grünen Bentley vorzufahren. Manchmal ist er auch unverbesserlich: In Bremen wurde er jüngst in der Umweltzone mit seinem Oldtimer ohne entsprechende Abgas-Plakette erwischt.

Dabei ist Nußbaum in seinem politischen Denken keineswegs ein hartleibiger Unternehmer. Klar, in wirtschaftlichen Dingen tickt er eindeutig marktwirtschaftlich. Auf der anderen Seite hat die Bremer Sozialsenatorin in der großen Koalition nie Grund gehabt, sich über "Rotstift"-Aktionen des Finanzsenators zu beschweren.

Thilo Sarrazin hatte in den Jahren, in denen Nußbaum Bremer Finanzsenator war, keine Gelegenheit ausgelassen, der großen Koalition unter Henning Scherf die Leviten zu lesen: Die Bremer würden das Geld zum Fenster hinauswerfen und sollten sich ein Beispiel an der Berliner Sparpolitik nehmen, so die Botschaft. Für einen Vortrag in Bremen hatte Sarrazin sich sogar Schaubilder der Bremer Misere vorbereiten lassen.

Nußbaum hatte sich auch in dieser persönlichen Konfrontation nicht wirklich gewehrt gegen diese Attacke - er ist kein parteipolitischer Kämpfertyp. Zudem war er erst 2003 ins Amt gekommen, als das große Geld der Sanierungshilfen für Bremen schon ausgegeben oder verplant war. Ganz falsch, so Nußbaums heimliche Überzeugung, war die Kritik Sarrazins nicht. Und nur aus parteipolitischem Kalkül das Gegenteil dessen zu vertreten, was er eigentlich denkt - sich so zu verbiegen, hat Nußbaum nie gelernt.

So war es für den parteilosen Unternehmer nach der Neuwahl im Jahre 2007 eine grenzenlose Zumutung, dass ihm der SPD-Landesvorsitzende Uwe Beckmeyer, eher der Typ Prolet in der SPD-Führung, öffentlich einen Briefumschlag mit einem Eintrittsformular in die SPD zusteckte. Nußbaum wartete einige Tage, ob Bürgermeister Jens Böhrnsen ihn nach vier erfolgreichen Jahren als Finanzsenator persönlich in Schutz nehmen würde. Als da nur Schweigen kam, erklärte er öffentlich seinen Verzicht auf ein Regierungsamt in Bremen.

Den Weg zurück in sein Unternehmen hat Nußbaum nach dem vierjährigen Ausflug in die Politik nicht wieder gefunden. "Ich bin 51 Jahre alt - und das Leben fängt jetzt erst richtig an", meinte Nußbaum nach seiner Nominierung für das neue Amt in Berlin. Er deutete damit an, dass er auch nach der Abgeordnetenhauswahl 2011 zur Verfügung stehen könnte.

Nußbaum wurde 1957 in Rheinland-Pfalz in Trassem nahe Trier geboren. Er stammt aus einer Handwerkerfamilie und legte sein Abitur auf einem privaten Internatsgymnasium in der Nähe von Düsseldorf ab. In Saarbrücken, Genf, Straßburg und London studierte er anschließend Jura und Politik. 1984 promovierte mit summa cum laude über "Rohstoffgewinnung in der Antarktis" und stieg danach in Bremerhaven in den Handel mit Tiefkühlfisch ein. Seine Firmengruppe Sea Life Harvesting (SLH) liefert weltweit Tiefkühlfisch an Einzelhandel und Industrie.

Von 1996 bis 2003 war er Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer in Bremerhaven, wo der SPD-Bürgermeister Henning Scherf auf ihn aufmerksam wurde und ihn als Quereinsteiger in den Senat der großen Koalition holte. Eigentlich sollte der Unternehmer Nußbaum damals Wirtschaftssenator werden - da die CDU aber auf diesem Ressort bestand, fiel ihm das Finanzressort zu.

In Berlin hat er sich bereits eine Wohnung in Mitte besorgt, seine Familie soll nach den Sommerferien nachkommen. Die Erwartungen an ihn sind vielfältig, die Schwierigkeiten auch. Geringstes Problem ist dabei noch die Sache mit dem noblen, aber rußenden Oldtimer - als Senator steht ihm ein Dienstwagen mit Umweltplakette zu.

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