Gewünscht: ein sozialer und spendabler Sparkommissar

AMTSWECHSEL Die Erwartungen der Fraktionen an den neuen Finanzsenator sind kaum zu erfüllen

■ Die Spekulationen liefen über Monate: Wer wird Finanzsenator, wenn der bisherige Kassenwart Thilo Sarrazin (SPD) zum 1. Mai zur Bundesbank wechselt?

■ Als Nachfolger präsentierte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bereits Mitte Februar den parteilosen Ulrich Nußbaum, bis 2007 vier Jahre Bremer Finanzsenator.

■ Am heutigen Donnerstag erhält Nußbaum seine Ernennungsurkunde und wird im Parlament vereidigt. STA Foto: Rolf Zöllner

Berlin scheint gleich mehrere neue Finanzsenatoren zu brauchen, so vielfältig sind die Erwartungen der Fraktionen im Abgeordnetenhaus an Ulrich Nußbaum. Zum einen soll der neue Finanzsenator aus Bremen die Ausgaben im Zaum halten, sich aber bei notwendigen Ausgaben nicht quer stellen. Er soll sparen, aber nicht unsozial. Er soll Regierungspolitik betreiben, aber möglichst unparteiisch und pragmatisch. Kurzum: Berlins neuer Kassenwart sollte am besten eine eierlegende Wollmilchsau sein.

Am Donnerstagvormittag wird der neue Mann seine Ernennungsurkunde im Roten Rathaus erhalten. Dort wird auch Noch-Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) verabschiedet. Im Abgeordnetenhaus, das wenig später tagt, wird keiner von beiden auf der Regierungsbank sitzen: Sarrazin ist dann nicht mehr Senator, und Nußbaums Ernennung gilt erst zum 1. Mai. Staatssekretär Klaus Teichert, selbst mal für den Spitzenjob gehandelt, darf auf den Senatorensessel. Nußbaum, der im Plenum immerhin vereidigt wird, sitzt dort erst beim nächsten Mal.

„Leicht wird es für ihn angesichts der Finanzlage nicht“, räumt SPD-Fraktionschef Michael Müller ein. „Aber ich erwarte, dass er den strengen Konsolidierungskurs fortsetzt – wir haben kein Geld zu verschenken.“ Was nicht heißt, dass die Kassen dicht sind: „Wo es politisch notwendig ist, muss es auch Investitionen geben.“ Die Schulen etwa bräuchten eine vernünftige Ausstattung.

Carola Bluhm, Chefin der Linksfraktion, erwartet von ihm „Haushaltspolitik mit sozialem und kulturellem Augenmaß“. Genau das fehlte ihr bei Sarra- zin, „dessen Abwesenheit wir sehr zu schätzen wissen werden“. Die CDU-Fraktion will dem Neuen 100 Tage Eingewöhnung geben – und fordert von den Sozialdemokraten, dem zwar SPD-nahen, aber bislang parteilosen Nußbaum nicht ihr Parteibuch aufzudrängen. Aus CDU-Sicht soll er den Stellenpool in der öffentlichen Verwaltung reformieren. „Das hat so nicht funktioniert“, sagt Haushaltspolitiker Florian Graf. Weil Nußbaum von außen kommt, erwartet er von ihm undogmatisches, pragmatisches Arbeiten.

Eine Schonfrist fällt für Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig weg – man sei mitten drin, den Landeshaushalt aufzustellen. „Wir wünschen ihm, dass es ihm gelingt, die Fahne der Haushaltskonsolidierung aufrecht zu halten – wie es sein Vorgänger Sarrazin zumindest immer wieder versucht hat.“ Zugleich aber zeigt sie sich skeptisch gegenüber dem früheren Bremer Finanzsenator: „Berlin hat den gekauft, der es in Bremen nicht auf die Reihe gebracht hat.“

Ähnlich sieht das FDP-Fraktionschef Christoph Meyer: Nußbaum gebe von den Kernzahlen der Bremer Finanzen her kein gutes Bild ab. „Wir schätzen allerdings durchaus, was er als Unternehmer geleistet hat“, sagt Meyer, „und wir verlangen von ihm einen strikten Konsolidierungskurs. Den hat aber schon Thilo Sarrazin zuletzt gegen Rot-Rot nicht durchsetzen können.“

Ebendieser Sarrazin wird sich das alles von seinem neuen Job aus angucken können, als Vorstandsmitglied der Bundesbank in Frankfurt am Main. Nach einer Übergabe in der Finanzverwaltung am Montag will Sarrazin nach Hessen abrauschen.

„Die Abwesenheit von Finanzsenator Thilo Sarrazin wissen wir sehr zu schätzen“

Linke-Fraktionschefin Carola Bluhm

In Frankfurt nehme er sich keine Wohnung, sagt sein Sprecher. Stattdessen übernachte er im Gästehaus der Bank und pendele am Wochenende mit dem ICE nach Berlin.

So ganz aus der Welt ist Sarrazin also nicht, und wenn es nicht so gut läuft mit Nußbaum – der FC Bayern macht ja gerade vor, wie man in der Krise einen Extrainer reaktiviert. STEFAN ALBERTI