Nachruf: Mit Menschen streiten, nicht mit Dämonen

Barbara Oesterheld von den Grünen war eine Linke alter Schule: Persönliches Karrierestreben hatte für sie in der Politik nichts verloren. Am Mittwochabend starb die 57-Jährige an Krebs.

Sie hätte so gerne weitergelebt. Barbara Oesterheld wäre so gerne stärker gewesen als der Krebs, dieser dunkle Dämon, der sich in ihrem Leben und auch im Leben ihres Weggefährten Raimund Helms seit 2001 breitgemacht hatte. Als wären die beiden nur Beute.

Acht Jahre lang hat die Berliner Politikerin der Grünen versucht, den Dämon abzuschütteln. 2003 verlor sie zum ersten Mal, als Helms starb. Am Mittwochabend ist auch sie gestorben. 57 Jahre wurde sie alt.

"Barbara hat gekämpft bis zum Schluss", sagt Elfi Jantzen, grüne Parteikollegin und Freundin. "Sie hat die Hoffnung nie aufgegeben" - weil sie immer noch Kraft hatte, an andere Dinge zu denken, an andere Menschen.

Sogar Anfang der Woche noch, als entschieden wurde, dass sie die Schmerzmittel nun über den Tropf einnehmen solle und endlich schlafen dürfe. Nur schlafen. "Du darfst gehen", sagten ihre Freunde zu ihr. Der Sohn von Elfi Jantzen spielte Gitarre. "Blowing in the wind." Das hatten sie in den Wochen zuvor manchmal gemeinsam gesungen.

Oesterheld hatte 1995 bundesweit als erste grüne Landtagsabgeordnete ein Direktmandat geholt. Jantzen zog ebenfalls ins Parlament ein. Die beiden Frauen teilten sich ein Büro im Abgeordnetenhaus. Mietschutz und die Wohnungsbauförderung waren Themen, für die Oesterheld brannte. Sie wollte, dass die Mieter davon profitieren, wenn der Staat den Wohnungsbau fördert, und nicht nur die Investoren. In ihrer Zeit als Abgeordnete hat sie zudem maßgeblich die Aufklärung des Bankenskandals betrieben.

Als Grüne war sie in ihrem Aufklärungswillen glaubwürdig, da ihre Partei, anders als SPD und CDU, nicht in den Skandal verwickelt war. Ein Skandal, der mit dazu beigetragen hat, dass die Schuldenlast Berlins heute bei 60 Milliarden Euro liegt.

Oesterheld war eine Linke alter Schule: Politik hat sie als eine Aufgabe verstanden, bei der persönliche Vorteile, auch persönliches Karrierestreben nichts zu suchen hatten. "Integer", "rechtschaffen", "ehrlich", "wenig machtorientiert", auch "spröde" und "herzlich" - so beschreiben sie ihre Freunde.

2006 ließ sich Oesterheld nicht wieder neu aufstellen fürs Abgeordnetenhaus. Stattdessen ging sie in den Vorstand des Berliner Landesverbandes der Grünen. Sie hatte eine Vision. Sie wollte dazu beitragen, dass die Stimmungen an der eher linken, eher regierungskritischen Basis wieder mehr Gehör finden bei den grünen Politikern, die Ämter innehaben. Als Politikerin fühlte sich Oesterheld immer der Basis verpflichtet. Wie ihr Lebensgefährte Raimund Helms hatte sie seit den Achtzigerjahren dazu beigetragen, dass die Grünen in Kreuzberg stark werden.

Viel Zeit blieb ihr nicht. Denn 2007 wurde festgestellt, dass ihr besiegt geglaubter Krebs wieder da war. In den Knochen hatte er Metastasen gebildet. Sie trat als Vorsitzende der Grünen zurück. "Ich brauche alle Kraft für mich", sagte sie.

Barbara Oesterheld hat so gern dafür gekämpft, dass alle ein gutes Leben haben. Sie wollte, dass Berlin eine lebendige, lebenswerte, diskussionsfreudige Stadt ist. Sie wollte immer mit Menschen streiten, nicht mit Dämonen. WALTRAUD SCHWAB

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.