Schulreform: Verschlungene Wege zum Abitur

Wer geht künftig auf die Sekundarschule, wer aufs Gymnasium? Experten diskutierten über Zugangsbedingungen.

Er hatte am Mittwochabend in der Max-Taut-Aula nicht immer etwas zu lachen: Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD). Bild: AP

Das Ende war typisch Zöllner: Charmant und wortreich bedankte sich der Schulsenator bei den TeilnehmerInnen der Veranstaltung und forderte sie auf, sich selbst Beifall zu spenden. Mehrere hundert Menschen hatten sich am Mittwochabend in der Aula der Lichtenberger Max-Taut-Schule eingefunden, um über die knifflige Frage zu reden, wie künftig der Zugang zur Oberschule zu regeln sei. Allein das Podium bestand aus zwölf Personen: Neben vier Bildungsforschern aus ganz Deutschland saßen dort acht Berliner SchulleiterInnen sowie der Vorsitzende des Landeselternausschusses André Schindler.

Drei Instrumente für eine mögliche Zugangsregelung hatte Jürgen Zöllner zur Debatte gestellt: die Auswahl ihrer Schülerschaft durch die Oberschulen selber, eine Entscheidung aufgrund der Empfehlung durch die Grundschulen und das - bisher entscheidende - Wahlrecht der Eltern. Erforderlich wird die Neuregelung durch die geplante Schulreform, die die Haupt-, Real- und Gesamtschulen zur Sekundarschule zusammenfasst. Diese soll mit Angeboten wie dem arbeitsweltbezogenen "dualen Lernen" und verbesserten Fördermöglichkeiten vor allem schwächere Schüler besser betreuen - und dabei alle Abschlüsse inklusive Abitur anbieten. Da die Gymnasien weiterbestehen, muss geklärt werden, wer künftig welche Schulform besucht.

Zöllners gut gelaunter Charme am Ende des Abends war erklärlich - bei allen Differenzen waren sich die Diskutanten in einem ziemlich einig: Die Schulreform ist gut. Denn die Tatsache, dass künftig alle Oberschulen zum Abitur führen, entschärft die Konkurrenz um die Plätze an Gymnasien und die Angst der Eltern vor anderen Schulformen.

Umso unterschiedlicher waren die Meinungen darüber, wie denn nun über den Zugang zur Oberschule zu entscheiden sei. Für eine Entscheidung aufgrund des Notendurchschnitts plädierte der Münchener Professor Hartmut Ditton. Er versuchte mit Forschungsergebnissen zu belegen, dass der Einfluss sozialer Faktoren auf die Noten in der Grundschule niedriger als oft angenommen sei.

Unterstützung bekam er von Wolfgang Harnischfeger, Direktor des Beethovengymnasiums und Vorsitzender der Schulleitervereinigung der Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Dessen Argument: Solle die Sekundarschule die für ihren Erfolg wichtige Mischung aus leistungsstarken und -schwächeren SchülerInnen bekommen, müssten die Gymnasien mit einem strengen Numerus clausus - "etwa von 2,0" - belegt werden. Nur so könne man dafür sorgen, dass auch für die neue Oberschulform noch ausreichend gute Schüler übrig blieben.

Eine Vorstellung, mit der sich vor allem Elternvertreter Schindler nicht abfinden mochte. Sein erregter Einwand, Eltern würden im Falle einer solchen Zugangsbeschränkung "schon Wege finden, wie wir unsere Kinder an den gewünschten Schulen unterbringen", hörte sich an wie eine Drohung.

Milder klangen die Argumente des Dortmunder Bildungsforschers Ernst Rösner: Es spreche doch eigentlich, so Rösners Vorschlag, nicht viel gegen die Beibehaltung der bisherigen Regelung. Dabei geben die Grundschulen eine unverbindliche Empfehlung über den weiteren Bildungsgang ihrer SchülerInnen ab; der entscheidende Wille der Eltern wird ausschließlich durch die Aufnahmekapazitäten der Schulen eingeschränkt. Wie bisher werde es auch künftig beliebte Schulen mit mehr Anmeldungen als Plätzen geben, die dann schulspezifische Auswahlkriterien brauchten. Ansonsten riet er zur freien Wahl, denn: "Drei Viertel der Kinder, die ohne die entsprechende Empfehlung ans Gymnasium gehen, bestehen da." Schlechte Noten für die Grundschulempfehlung.

Blieb die Frage nach einer Auswahl durch die Oberschulen selbst: Für Aufnahmeprüfungen etwa konnte sich kaum einer der Diskutanten erwärmen.

Vage fiel bei allem Lob für die anregende Debatte die Bilanz des Senators aus. Immerhin so viel machte Zöllner deutlich: Elternwille und Einschätzung der Grundschulen sollen beim Zugang auf die Oberschule wichtig bleiben. Am Ende des Abends stand die Ankündigung, bald einen Vorschlag vorzulegen: "Zeitnah", versprach Zöllner.

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