Streit um Zugang zu Berliner Oberschulen: Gutes Lotto, schlechtes Lotto

Das Losverfahren für Oberschulplätze lehnen Eltern und Schulleiter ab. Manche Schulen losen aber schon einen Teil ihrer Schüler aus.

Er richte seinen Appell insbesondere "an die Mütter und Väter in der SPD-Fraktion": "Die Regierungsparteien übersehen, dass Demokratie Herrschaft auf Zeit ist!" Hört man Ralf Treptow, den Direktor des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums in Pankow, reden, gewinnt man den Eindruck, in Berlin seien der soziale Frieden, das Leben der Kinder, gar die Demokratie selbst in höchster Gefahr. Anlass zu solcher Dramatik ist der von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) kürzlich vorgeschlagene Weg, wie der Übergang von SchülerInnen von den Grund- auf die Oberschulen neu geregelt werden kann.

Da es künftig infolge der Schulreform nur noch zwei Oberschularten geben wird, die beide - das Gymnasium nach sechs und die Sekundarschule nach sieben Jahren - möglichst viele Schüler zum Abitur führen sollen, muss eine sinnvolle Zuordnung von GrundschulabgängerInnen gefunden werden. Zöllner will dabei - wie auch bisher - dem Elternwillen das Hauptgewicht bei der Schulwahl zusprechen. Schulen, die mehr Anmeldungen als Plätze haben, sollen 50 Prozent ihrer SchülerInnen nach eigenen Kriterien auswählen dürfen. Die restlichen 50 Prozent der Plätze werden Zöllners Plänen zufolge verlost.

Die Idee des Senators stößt allerdings auf erheblichen Widerstand. Zugestimmt haben ihr nur die Abgeordneten der Linkspartei. Seine eigene Fraktion hat Zöllner bisher nicht überzeugt. Und ob deren Zustimmung in der Fraktionssitzung an diesem Dienstag erfolgen wird, ist trotz einer entsprechenden Empfehlung des Arbeitskreises Bildung der SPD unsicher.

Dass Schulleiter Treptow unter seinen KollegInnen mit seiner Ablehnung des Losverfahrens nicht allein dasteht, konnte er am Montag auf einer vom Landeselternausschuss (LEA) organisierten Pressekonferenz deutlich machen: In seltener Einigkeit kritisierten da eine Vertreterin des Deutschen Philologenverbandes Seite an Seite mit Schulleitern aus der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Zöllners Plan. Durch das Losverfahren kämen Kinder ohne entsprechende Eignung ans Gymnasium, Kinder mit Gymnasialeignung an die Sekundarschulen, so ihr Gegenargument. Wenn schon Losverfahren, dann bitte nicht für 50, sondern "maximal für 20 Prozent der Plätze", so Kathrin Wiencek, Vorsitzende des Landesverbandes der PhilologInnen.

Und da hört es mit der Einigkeit auch schon wieder auf. Denn wie der Zugang besser zu regeln sei, stellen sich etwa Gymnasialdirektor Treptow und der GEW-Vertreter Ulrich Meusel, stellvertretender Leiter der Fritz-Karsen-Gemeinschaftsschule in Neukölln, sehr unterschiedlich vor. Auf alleiniges Entscheidungsrecht des aufnehmenden Oberschulleiters plädiert Ersterer. "Die einzige wirklich gerechte Lösung ist eine Schule für alle - die Gemeinschaftsschule", lautet dagegen Meusels Plädoyer.

In einem Punkt herrscht zwischen manchen Schulleitern allerdings Übereinstimmung: Nicht wenige verlosen bereits jetzt Plätze unter überzähligen BewerberInnen. Der Unterschied zu Zöllners Verfahren: Wer in den Lostopf kommt, bestimmen sie selbst. Dass auch LEA-Vorsitzender André Schindler nicht für alle Berliner Eltern spricht, stellte eine Vertreterin des Bezirkselternausschusses Steglitz-Zehlendorf klar, die bei der Pressekonferenz des LEA zwar nicht auf dem Podium, aber im Publikum saß: "Wir können in unserem Bezirk mit dem Losverfahren gut leben", sagte Daniela von Treuenfels. Es sei jedenfalls "eine Verbesserung des bisherigen ungerechten Systems".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.