Demonstrationsrecht: Fahnen sind keine Waffen

Zwei Teilnehmer einer "Antinationalen Parade", die wegen kleiner Fahnen in Gewahrsam genommen wurden, sind dagegen erfolgreich vor Gericht gezogen.

Friedlich trotz Fahne: Teilnehmer einer Anti-Atomkraft-Demo. Bild: ap, Gero Breloer

Die Demonstration sollte einen Gegenpol zu den offiziellen Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Bundesrepublik bilden. Unter dem Motto "Etwas Besseres als die Nation - Gegen die Herrschaft der falschen Freiheit" wollten die über 1.000 Teilnehmer am 23. Mai mit einer "Antinationalen Parade" durch die Stadt ziehen. Doch für vier der Demonstranten war die Veranstaltung schon vor dem Start vorbei: Die Polizei hielt sie teilweise bis zum nächsten Morgen fest - wegen des Mitführens kleiner Wimpel.

Jetzt hat das Landgericht Berlin zwei Betroffenen recht gegeben, die sich gegen die Freiheitsentziehung gewehrt hatten. Einer von ihnen war am Abend, eine Stunde nach dem Start der Demonstration, mit einer blauen und einer roten Fahne am Hosenbund in Gewahrsam genommen und auf Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten bis zum folgenden Morgen festgehalten worden. "Die Ingewahrsamnahme des Betroffenen erfolgte zu Unrecht", schreiben nun die Richter des Landgerichts in ihrem Urteil.

Das Amtsgericht Tiergarten war zuvor der Argumentation der Polizei gefolgt. Es hatte entschieden, dass "nach den Feststellungen der Polizei" zu erwarten sei, "dass der Festgenommene versuchen wollte, mit den mitgeführten Signalflaggen Zeichen zu geben, die Personen signalisieren, welche Handlungen gewaltbereite Personen im Versammlungsaufzug zum Zweck von Straftaten vorzunehmen haben". Die Polizei hielt das Mitführen der unter 30 Zentimeter großen Fahnen, die teilweise mit Slogans bedruckt waren, für eine "Vorbereitungshandlung für spätere Ausschreitungen".

Das sahen die Richter des Landgerichts anders. Zwar argumentierte die Polizei, dass die Fahnen nicht nur als "Signalzeichen", sondern auch als "gefährliches Werkzeug" zu werten seien, da sie auch als Schlagwerkzeug verwendet werden könnten. Doch die Richter hielten beides für zu unwahrscheinlich. Es sei nicht ersichtlich, dass der Demonstrant mittels der Fahnen tatsächlich Straftaten vorbereiten wollte - das bloße Mitnehmen der Fahnen reiche nicht, um die Vorbereitung einer Straftat anzunehmen. Für die Zukunft schlagen die Richter gleich eine Alternative vor: Die Polizisten könnten die Fahnen doch einfach beschlagnahmen. Damit wäre eine Verhältnismäßigkeit der Mittel, wie sie grundsätzlich gefordert ist, eher gegeben.

Rechtsanwalt Stefan Krauth, der die Demonstranten rechtlich vertreten hat, begrüßte das Urteil. Er gab allerdings zu bedenken, dass Gerichte meist die "präventiven Maßnahmen" der Polizei bestätigen würden. "Aber dieser Fall war so absurd und fernliegend, dass das Landgericht den Beschluss nur kippen konnte". Krauth geht nun davon aus, dass die Polizei künftig schon im Vorfeld reagiert - und entsprechende Fahnen beispielsweise in den Auflagen verbietet.

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