Abgeordnetenhauswahl 2010: Grüne werden selbstbewusster

Parteichefin hält erstmals Anspruch auf Posten des Regierenden Bürgermeisters für möglich.

Die Landesvorsitzende der Berliner Grünen, Imgard Franke-Dressler Bild: dpa

Zum ersten Mal hat eine Spitzenvertreterin der Berliner Grünen einen Anspruch der Partei auf das Rote Rathaus nach der Abgeordnetenhauswahl 2011 formuliert. "Die Möglichkeit ist durchaus im Kopf drin", sagte Landeschefin Irmgard Franke-Dressler am Mittwoch. Bislang hatte sich die Parteispitze dazu deutlich zurückhaltender geäußert. Noch im Juli sagte Franke-Dressler der taz trotz guter Wahl- und Umfrageergebnisse: "Das ist nicht primär unser Ziel." Mit Blick auf Koalitionen sehen Franke-Dressler und ihr Ko-Chef Stefan Gelbhaar die Grünen gleichweit von Schwarz-Gelb und Rot-Rot entfernt. Ein Parteitag nächste Woche soll Leitlinien für die Wahl 2011 festlegen.

Die Grünen hatten im Juli erstmals seit fünf Jahren in einer Umfrage 20 Prozent erreicht und diesen Wert seither in vier weiteren Umfragen bestätigt. Besser lagen sie nur im Herbst 2004, als sie zum allerersten Mal die 20-Prozent-Marke knackten und kurzfristig 21 Prozent erreichten. Anders als gegenwärtig rutschten sie damals binnen sechs Monaten auf 16 Prozent ab. Bei der Europawahl in diesem Juni, die allerdings eine geringe Wahlbeteiligung hatte, erreichten die Grünen fast 24 Prozent,waren nur knapp hinter der CDU als stärkster Berliner Partei.

Trotz dieses guten Abschneidens zögerte die Partei bisher, daraus wie SPD oder CDU einen Anspruch auf den Posten des Regierenden Bürgermeisters beziehungsweise einer Regierenden Bürgermeisterin abzuleiten. Als Wahlziel galt allein eine bloße Regierungsbeteiligung. Würde sich 2011 eine grüne Spitzenkandidatin durchsetzen, wäre es allerdings nicht die erste Frau an der Spitze Berlins. 1947/1948 war Louise Schröder (SPD) amtierende Oberbürgermeisterin.

Anders als Landeschefin Franke-Dressler äußerte sich die Fraktionsspitze weiter verhalten. "Die Umfragewerte müssen sich erst weiter stabilisieren", sagte Fraktionschef Volker Ratzmann am Mittwoch der taz. Einen Anspruch auf das Rote Rathaus müsse die Partei erst inhaltlich und organisatorisch unterlegen. "Ich will das auf seriöse Art und nicht als Spaßkandidatur wie früher Westerwelle bei der FDP", sagte Ratzmann. Zurückhaltend äußerte sich auch seine Ko-Chefin Ramona Pop. "Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, darüber nachzudenken." Auch sie will weiter abwarten, ob die Umfragewerte stabil bleiben.

Ratzmann stützte Franke-Dressler und Gelbhaar in der Aussage, die Grünen stünden gleichweit entfernt von Schwarz-Gelb und Rot-Rot, in sogenannter Äquidistanz. Pop verschob den Akzent leicht. "Wir verorten uns in der linken Mitte, und von dort aus sind wir offen für Koalitionen", sagte sie der taz.

Die Basis für einen Wahlerfolg 2011 will der Landesvorstand schon beim Parteitag am 21. November legen. "Grün bricht auf! Für Berlin" ist der Leitantrag überschrieben, in dem das Thema Wirtschaft die größte Rolle spielt. Für Landeschef Gelbhaar ist es ein Signal, dass der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK), Eric Schweitzer, Gastredner sein wird: Es soll noch deutlicher werden, "dass man mit den Grünen keine Wirtschaftsfeinde wählt". IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder war schon 2008 zu einer Tagung der Fraktion eingeladen.

Die Landesspitze sprach sich generell für einen intensiven Austausch mit Wirtschaftsvertretern aus. "Wenn wir den Anspruch haben, Politik zu gestalten, können wir nicht sagen: Es gibt Akteure, mit denen reden wir nicht", sagte Franke-Dressler. Sie räumte ein, als Reaktion auf den angekündigten Auftritt des IHK-Chefs habe es im Landesverband "irritierte Fragen" gegeben.

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