Zensus in Berlin: Schlamperei vor dem Zählen

Für den Zensus 2011 geben Ämter Personendaten weiter. Aber Vorsicht: Wer nachfragt, um welche Daten es geht, könnte ungewollt Einblick in fremde Akten erhalten.

Ab Mai wird auch in Berlin gezählt. Bild: dpa

Im Vorfeld der Volkszählung "Zensus 2011" gibt es offenbar erhebliche Mängel beim Datenschutz: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat der taz bestätigt, persönliche Daten einer Klientin fälschlicherweise an eine andere Person verschickt zu haben. Betroffen ist die Volkszählungsgegnerin Sandra Müller. Sie erhielt von der BA alle dort gespeicherten Informationen über eine fremde Person mit gleichem Namen. Schuld für die Verwechslung war nach Aussage des zuständigen Sachbearbeiters der Bundesagentur die hohe Anzahl der zu bearbeitenden Anfragen.

Der Zensus 2011 ist die erste Volkszählung seit 1987. Zum Stichtag 9. Mai müssen rund 10 Prozent der deutschen Bevölkerung Auskunft über sich geben. Seit vergangenem November hat das beim Zensus federführende Statistische Bundesamt alle Personendaten eingeholt, die bei Meldeämtern und bei der Bundesagentur für Arbeit gespeichert sind. Aus diesem Datenpool werden stichprobenartig Auskunftspflichtige ermittelt. In Berlin sind mehr als 126.000 Menschen betroffen. Wer wissen will, welche seiner persönlichen Daten herausgegeben wurden, kann eine Anfrage bei den Ämtern stellen.

Diese Anfrage hatte Sandra Müller bei der BA gestellt. Als Antwort erhielt sie die persönlichen Daten einer anderen Frau desselben Namens. Dazu gehören neben Angaben wie Name, Adresse, Handynummer und E-Mail auch die Steuernummer, die Namen der gesetzlichen Vertreter und eine Liste bisher beantragter Leistungen. "Ich bin nun im Besitz einer Liste hochsensibler Daten. Dem Missbrauch wären Tür und Tor geöffnet."

Die BA bezeichnet den Fall als "menschlichen Fehler". Der zuständige Sachbearbeiter begründet seinen Missgriff mit zusätzlichem Arbeitsaufwand - bedingt durch gestiegene Anfragen nach Datensätzen. In der Stabsstelle Recht sind nach Angaben von BA-Sprecherin Ilona Mirtschin seit November schon 19 Anfragen eingegangen, die alle einzeln recherchiert werden müssten.

Das gestiegene Interesse geht auf die Empfehlung der Zensus-Kritiker zurück, Daten nicht unkontrolliert bei den Ämtern abrufen zu lassen. Dazu ruft etwa der Arbeitskreis (AK) Zensus auf, einer Gruppierung aus Datenschützern und Bürgerrechtlern, der auch Sandra Müller angehört. Auf seiner Internetseite stellt der AK Zensus dafür ein Musteranschreiben zur Verfügung. "Wir möchten die Menschen für den Zensus sensibilisieren. Sie sollen sich informieren, welche individuellen Daten von ihnen übermittelt werden", sagt Müller. Der AK Zensus müsse aber jetzt überlegen, wie er mit dem konkreten Vorfall umgehe. Es werde diskutiert, ob weiterhin im Internet für die Anfragen bei den Ämtern geworben werde. Denn für Müller steht fest, dass die Daten bei der Bundesagentur nicht sicher sind: "Ein Sachbearbeiter, der falsche Datensätze verschickt? Das weist auf grobe Fahrlässigkeit hin."

BA-Sprecherin Mirtschin erklärt, im Fall Sandra Müller hätten der Name und der Anfangsbuchstabe des Straßennamens übereingestimmt. Durch die Ähnlichkeit sei eine Verwechslung naheliegend. Sandra Müller kritisiert, dass man sie nicht zusätzlich nach ihrem Geburtsdatum gefragt habe. "Ich denke, dass die Anfragen nicht mit genügend Sorgfalt und nach den zugrunde liegenden Datenschutzbestimmungen beantwortet werden", beklagt Müller. Ilona Mirtschin betont, dass eine Auskunft unterbleiben müsse, wenn die Identität nicht sicher sei. Maßnahmen zu einer sichereren Abfrage der Personenprofile gebe es aber nicht. "Name und Adresse genügen meistens für eine Zuordnung", so die Sprecherin. Eine Antwort darauf, wie sie die fremden Daten jetzt ganz offiziell wieder loswerden könne, habe sie nicht erhalten, sagt Sandra Müller "Sie könnten mich nur bitten, die Daten zu vernichten", habe es geheißen. Müller will den Vorfall in ihre Klage gegen die Ausführung der Volkszählung in Berlin einbeziehen.

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