Aufklärungsquote bei 40 Prozent

HOMOPHOBIE Die Gewalt gegen Schwule und Lesben ist im vergangenen Jahr erneut angestiegen

Die Zahl der dokumentierten Fälle homophober Gewalt in Berlin ist im vergangenen Jahr weiter gestiegen. Das geht aus dem Jahresbericht des schwulen Anti-Gewalt-Projekts Maneo hervor, der am Freitag vorgestellt wurde. 415 Fälle wurden dem Hilfsprojekt im vergangenen Jahr bekannt, davon konnten 216 klar einem homophoben Hintergrund zugeordnet werden. Obwohl der überwiegende Teil der Straftaten auf offener Straße stattfand, wurden nur die Hälfte der Maneo bekannten Fälle auch der Polizei gemeldet.

Die Berliner Polizei erfasste im vergangenen Jahr 109 Taten von sogenannter Hasskriminalität wegen sexueller Orientierung. In 44 Fällen sei es laut Uwe Löhner, Ansprechpartner der Berliner Polizei für gleichgeschlechtliche Lebensweisen, zur Gewaltanwendung gekommen, darunter eine versuchte Tötung.

Seit 2006 nehmen die Fälle kontinuierlich zu. Das liege aber nicht an einem tatsächlichen Anstieg der Gewalttaten, sondern an einer besseren Erfassung solcher Fälle, sagte Löhner. Die Aufklärungsquote läge bei 40 Prozent. Trotzdem würden Opfer nach wie vor bei der Polizei auch abgewimmelt, sagte Maneo-Projektleiter Bastian Finke. Straftaten würden zudem bagatellisiert oder nicht als schwulenfeindlich eingestuft. Deshalb führte Maneo im letzten Jahr 26 Schulungen bei Polizei und Behörden durch.

Zu den häufigsten Delikten 2011 zählten Raub, Körperverletzung und Beleidigung. Mit 85 dokumentierten Taten ist Schöneberg Spitzenreiter vor Kreuzberg, Mitte und Prenzlauer Berg. Unter den Tätern waren auch Frauen.

918 Opfer hat Maneo 2010 in 1.569 Gesprächen unterstützt. In einem Fall dauerte die Beratung rund ein Jahr und umfasste die Betreuung des Opfers vor Gericht.

Maneo zählt vier hauptamtliche und rund 25 ehrenamtliche Mitarbeiter und ein Netzwerk von fast 150 Unterstützern und Förderern. Das Hilfsprojekt finanziert sich aus Geldern des Senats, Lottoeinnahmen, EU-Förderungen, der Unterstützung des Bundesamts für Zivildienst und Spenden. Ein wichtiges Projekt des Hilfswerks ist das Austauschprogramm „Regenbogenbrücke“, an dem sich die Städte Berlin, Köln und Tel Aviv beteiligen. André Lossin, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, räumte ein, das Thema Homosexualität sei in Israel und der Gemeinde nicht immer einfach. Er sei dennoch zuversichtlich: „Aufklärung ist die beste Prävention.“ JAKOB WAIS