Hanfparade in Berlin: Das Recht auf Betäubung

Rund 2.500 Menschen demonstrieren für die Legalisierung von Cannabis. Für Berlin-Touristen am Wegesrand sind sie vor allem ein hübsches Fotomotiv. Doch ein paar Demoteilnehmer haben ein ernstes Anliegen: Sie wollen schmerzfrei leben.

Hanfparadisten am Samstag in Berlin Bild: dpa

Das Besteck wird von Besuchern der Straßencafés schnell beiseitegelegt. Das Essen muss jetzt warten. Schnellstmöglich wird die Kamera oder das Handy gezückt und ein Platz mit guter Sicht auf die Straße eingenommen. Trance- und Reggaebeats schallen durch die Straße und lassen erahnen, was gleich vorbeikommt: die Hanfparade.

Rund 2.500 Teilnehmer haben sich am Samstagmittag in der Alexanderstraße zusammengefunden, um von dort aus zum 15. Mal durch die Stadt zu ziehen und friedlich für die Legalisierung von Cannabis zu demonstrieren. Vom üblichen Klischeekiffer mit Afro oder Dreadlocks ist dabei nur wenig zu sehen. Das Publikum ist bunt gemischt: vom Punk bis hin zu Eltern mit Kinderwagen mit grünen Luftballons. Die Stimmung ist gut - das Wetter leistet seinen Beitrag dazu, manch einer läuft barfuß oder "oben ohne". Es werden Tipp-Blocks, lange Blättchen und Mischflyer für Joints, verteilt. "Keine Pflanze ist illegal" oder "Haschisch erlauben, Plutonium verbieten" steht auf selbst gebastelten Schildern. Hier und da weht Grasgeruch durch die Luft.

Die Reaktionen der Passanten an der Demonstrationsstrecke gleichen sich durch Verwunderung, sind aber doch unterschiedlich: Ein älterer Mann schüttelt einfach nur den Kopf, Touristen fangen meist an zu lachen, Kinder laufen aufgeregt zu ihren Eltern und bitten um eine Erklärung des Geschehens. Kleine Diskussionen über den Sinn oder Unsinn der Demonstration finden statt: "Legalisierung? Also ich bin dagegen, denn ich hab ja auch zwei Kinder", erklärt eine Passantin. Dass es bei der Hanfparade nicht nur um Cannabis als Genuss- und Rauschmittel geht, wissen nur wenige.

Knallhart: Der Besitz von Cannabisprodukten ist in Berlin nach wie vor illegal. Die Polizei leitet daher in jedem Fall ein Ermittlungsverfahren ein. Auch ergeht eine Meldung an die Führerscheinstelle.

Entspannt: Der rot-rote Senat hat 2010 eine allgemeine Verfügung erlassen: Danach ist das Ermittlungsverfahren einzustellen, wenn weniger als 10 Gramm Haschisch oder Marihuana gefunden wurden. Bei bis zu 15 Gramm kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen, muss aber nicht.

Gnadenlos: Wer aber prahlerisch öffentlich oder vor Kindern und Jugendlichen, in Kitas, Schulen, auf Spielplätzen oder im Knast kifft oder bekifft Auto fährt, bekommt in jedem Fall ein Verfahren.

Vor dem Bundesministerium für Gesundheit steht eine kleine Gruppe mit schwarzen T-Shirts, auf denen in Neongrün die Abkürzung "S.C.M" zu lesen ist. Sie gehören zum "Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin" und erzählen von den Möglichkeiten der medizinischen Nutzung der Hanfpflanze.

Carsten Elfering ist einer von ihnen. Er ist extra aus Gelsenkirchen angereist. Elfering hat eine Rückenmarkserkrankung, verbunden mit starken Schmerzen. Alle möglichen Therapieformen zuvor waren erfolglos. Bis auf eine: Cannabis. Der 28-Jährige berichtet, wie kompliziert es für ihn war, eine Sondergenehmigung für den Besitz und Konsum von Cannabis als Medikament beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin zu bekommen. Nur etwa 60 Patienten in Deutschland sind laut S.C.M. im Besitz einer solchen Ausnahmegenehmigung. Um diese zu erhalten, müsse sich erst ein Arzt zur persönlichen Betreuung bereit erklären und anschließend noch eine Apotheke gefunden werden, die die Präparate herausgeben will. Letztere aber seien rar, sagt Elfering. Denn Apotheken, die cannabishaltige Medikamente wie Bedrocan herausgeben, benötigen selbst eine Sondergenehmigung.

Das nächste Problem sei das Geld, berichtet Elfering: Ein Gramm legales Cannabis kostet in der Apotheke um die 15 Euro, die zudem von der Krankenkasse nicht erstattet werden. Auf dem Schwarzmarkt koste es nur ein Drittel, weiß Elfering. Gelöst werden könnte das Problem, wenn die Patienten zur persönlichen Nutzung ihr eigenes "Gras" anbauen dürften. Das sei in Deutschland aber nach wie vor verboten, weil das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) so strikt sei.

"40 Jahre sind genug - BTMG ade!", lautete entsprechend das Motto der Hanfparade. Bei der Abschlusskundgebung in Sichtweite des Bundestags, schwärmt Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband (DHV) von Tschechien, Belgien und Spanien. Diese Ländern seien im Umgang mit Cannabis bereits viel fortschrittlicher. Er reagiert auch auf ein Interview von Renate Künast in der SuperIllu der vergangenen Woche (taz berichtete). Die Spitzenkandidatin der Grünen für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin wurde darin nach der alten Forderung der Grünen nach einem "Recht auf Rausch" gefragt und hatte geantwortet, dass diese Zeiten längst vorbei seien. Auf der Hanfparade sieht man das anders: "Frau Künast, wir leben im Jahrhundert der Legalisierung", so Wurth vom DHV.

Die Grünen sind sich bei ihrer Drogenpolitik uneinig: Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der grünen Abgeordnetenfraktion, plädierte für "einen regulierten Markt von Hanfprodukten und nachhaltige Prävention", um die Drogenkriminalität einzudämmen. Wie Piraten- und Linkspartei, setzt sich Lux zudem für Verbraucherschutz ein: das so genannte "Drugchecking". Damit könnten Konsumenten Drogen auf gefährliche Streckmittel testen lassen.

"Legalize! Legalize!", ruft ein Grüppchen übrig gebliebener Demonstranten - und setzt sich auf der Reichstagswiese ins Gras.

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