„Unter Gideon Joffe herrscht Autokratie“

JÜDISCHE GEMEINDE Nach der Wahl des neuen Vorstands hören die Personalquerelen in der Gemeinde nicht auf – nun wird die Gründung einer „Landsmannschaft der Unzufriedenen“ diskutiert

Der Beauftragte der Jüdischen Gemeinde für die Bekämpfung des Antisemitismus, Levi Salomon, hat sich mit scharfen Worten gegen seinen geplanten Rauswurf aus den Räumen des Gemeindezentrums in der Oranienburger Straße zur Wehr gesetzt. Unter dem neuen Gemeindevorsitzenden Gideon Joffe „herrscht dort Autokratie“, kritisierte Salomon bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in einem Restaurant gleich neben der Neuen Synagoge, wo Joffe sein Büro hat.

Joffe habe ihn mehrmals aufgefordert, sein Büro, das direkt neben dem Joffes liegt, bis Montag zu räumen, sagte Salomon, der seine Tätigkeit seit vier Jahren ehrenamtlich ausübt. Der bei der Pressekonferenz als Zuhörer anwesende Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, bot Salomon zugleich an, vorübergehend in den Räumen des Zentralrats gleich um die Ecke unterzukommen.

Salomon war vor vier Jahren vom bisherigen Vorstand unter der Gemeindevorsitzenden Lala Süsskind in sein Amt gebracht worden. Zusammen mit Praktikanten hatte er unter anderem eine 24-Stunden-Hotline eingerichtet, bei der antisemitische Vorfälle gemeldet werden können. Zugleich entwickelte sich Salomon zu einem gefragten Experten zum Thema Judenfeindlichkeit – mit internationaler Ausstrahlung. Unklar blieb zunächst, ob Salomon nur sein Raum in der Gemeinde gekündigt wurde oder ob er zugleich auch sein Amt verloren hat. Offiziell sei ihm der Rauswurf mit Raumnot begründet worden.

Lala Süsskind kritisierte sowohl die Entscheidung Joffes als auch mehrere Aufhebungsverträge für andere Mitarbeiter der Gemeinde – darunter für den langjährigen Fahrer des Vorsitzenden. Sie kündigte an, dass sie und andere Gemeindemitglieder in einem halben Jahr entscheiden würden, ob sie nicht aus der Gemeinde austreten. Sie betonte jedoch, dass sie kein Interesse habe, eine „Gegengemeinde“ zu gründen. Allerdings könnte es zur Gründung eines Clubs oder einer „Landsmannschaft der Unzufriedenen“ kommen. Süsskind hatte die Wahl Joffes jüngst mit harschen Worten attackiert. Zugleich hatte sie Unregelmäßigkeiten zugunsten der Wählervereinigung Joffes bei der Wahl zum Gemeindeparlament angedeutet.

Für eine Stellungnahme zum Fall Salomon war Joffe am Donnerstag nicht zu erreichen. Sein Büro verwies auf dringende Termine, die es nicht möglich machten, auf die Vorwürfe zu reagieren. PHILIPP GESSLER