Bildungspapier der IHK: Fordern ja, fördern nein

Die Industrie- und Handelskammer legt ein Bildungskonzept mit teils innovativen Ideen vor und verlangt milliardenschwere Investitionen. Die Wirtschaft an den Kosten zu beteiligen, lehnt sie ab

"Bildung ist für Wirtschaft das Elementare", meint der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK), Eric Schweitzer, im Hauptberuf Chef beim Entsorgungsriesen Alba. Und Menschen nicht gut auszubilden sei die größte soziale Untat überhaupt. Weil das so ist, hat die IHK am Dienstagabend ein Bildungskonzept für Berlin mit einem ganzen Katalog an Forderungen vorgelegt. So weit, so gut. Für die überschlägig milliardenschweren Investitionen zahlen soll aber allein das Land - eine eigene Abgabe der Wirtschaft lehnt die IHK kategorisch ab.

Die 40 Punkte umfassenden Forderungen reichen von mehr vorschulischer Bildung, Ganztagsschulen bis hin zu 4.000 zusätzlichen Studienplätzen. Die sonst eher FDP-nahe IHK kommt dabei stellenweise überraschend ideologiefrei daher: Sie befürwortet zwar eindeutig ein zweigliedriges Schulsystem mit Gymnasium und einer sogenannten Sekundarschule. Eine Gemeinschaftsschule ist aber nicht tabu - wenn sie denn so viel Geld bekäme wie das in Bildungsstudien so erfolgreiche finnische Vorbild. "Letztlich ist alles keine Frage der Schulform, sondern der Schulausstattung", so Jan Eder, der hauptamtliche Chef der Kammer.

Das ist auch die Grundüberzeugung von Hinrich Lühmann, ehemaliger Direktor des renommierten Humboldt-Gymnasiums in Tegel. Ihn hatte die IHK als Autor ihres Bildungspapiers mit ins Boot geholt. Wie die Kammer findet er durchaus lobende Worte für Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) und seine Ideen. Die vorschulische Bildung in Berlin beispielsweise sei im Bundesvergleich hervorragend - "aber eben nicht gut genug". Ähnlich ist für Lühmann die Lage bei den Schulen, in die viel zu wenig Geld fließe. Es fehle nicht nur an Lehrern, sondern auch an Sekretärinnen, Hausmeistern, Krankenschwestern und Sozialarbeitern, die beim gelobten Modell in Skandinavien fest zum Alltag einer Schule gehören.

Überhaupt sollen die Schulen mehr Befugnisse erhalten; sich etwa ihre Lehrer viel stärker als heute selbst aussuchen können. Um zu verhindern, dass alle guten, umworbenen Lehrer bei freier Auswahl Richtung Dahlem gehen und für Neukölln nur wenige Idealisten und der große Rest bleiben, schweben der IHK und Lühmann ein neuartiger Ausgleich vor. Im Sinne der früheren sogenannten Buschzulage für Beamte, die in die neuen Bundesländer gingen, sollen Lehrer in tendenziell problematischeren Stadtteilen wie Neukölln Extrabezüge erhalten. Das Beamtenrecht lasse so etwas zu, bei angestellten Lehrer scheitere das hingegen am Tarifrecht.

Weniger innovativ als diese Vorschläge sind die Geldquellen, die die IHK zur Finanzierung nutzen will. Landeseigentum zu verkaufen, vor allem die Wohnungsbaugesellschaften, und die Verwaltung umzustrukturieren sind Vorschläge, die weder neu noch zügig umzusetzen noch nachhaltig sind. Zwar spricht Hauptgeschäftsführer Eder von "6 bis 8 Milliarden Euro", die man da rausholen und in die Bildung stecken könnte, wie diese schöne neue Bildungswelt zu bezahlen wäre, wenn der einmalige Verkaufserlös aufgebraucht ist, lässt er hingegen offen.

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