„Baustein alternativer Stadtentwicklung“

LEBENSENTWÜRFE Im Kunger-Kiez in Treptow attackiert eine linke Initiative eine Baugruppe, an der auch linke Aktivisten beteiligt sind. Carsten Joost von „Mediaspree versenken“ verteidigt das Bauprojekt

■ Der 44-Jährige ist Architekt, Gründer des Bundes kritischer Architekten sowie Sprecher der Initiative „Mediaspree versenken“.

taz: Herr Joost, Sie wettern seit Jahren gegen Großprojekte an der Spree. Doch wie halten Sie es mit Baugruppen?

Carsten Joost: Bei Mediaspree geht es um Großprojekte, die auf hochpreisige Nutzung ausgerichtet sind. Baugemeinschaften hingegen sehe ich durchaus als einen wichtigen Baustein alternativer Stadtentwicklung, weil sie nicht auf Profit ausgerichtet sind und oft gute soziale und ökologische Ansätze haben. Der Bedarf nach solchen gemeinschaftlich organisierten Projekten ist enorm. Es gibt eine Untersuchung, aus der hervorgeht, dass allein in der Altersgruppe ab 50 Jahren in Berlin rund 270.000 Menschen gerne in selbstbestimmten und nachbarschaftlichen Gemeinschaften wohnen würden.

Können Sie es sich erklären, warum sich im Kunger-Kiez in Alttreptow trotzdem eine linke Initiative gegen eine linke Baugruppe wendet?

Ein tragischer Fall. Hintergrund ist aber eher der Kampf um den Erhalt von Freiflächen. Viele Baulücken wären zum Beispiel als Spielplätze besser genutzt. An zu viel Verdichtung erstickt die Stadt. Manche landeseigenen Flächen könnten hingegen eine bauliche Nutzung vertragen. Für gemeinschaftliche Projekte gibt es jedoch trotz Versprechungen im rot-roten Koalitionsvertrag viel zu wenige Möglichkeiten. Der Senat hält diese Flächen offenbar zurück für die hochpreisigen Segmente.

Gentrifizierung ist in der linken Szene nicht zuletzt wegen Mediaspree ein großes Thema. Was läuft in der linken Debatte falsch, wenn Angehörige der linken Szene ausgerechnet andere Linke an den Pranger stellen?

Es ist sicherlich bedauerlich, aber letztlich wundert mich das nicht. In Zeiten der Deregulierung und mangelnder politischer Maßnahmen, die Mieten stabil zu halten, erscheint jede Baumaßnahme als weitere Aufwertung, die Mietpreissteigerungen nach sich zieht. Wenn die Baulücke aber bebaut werden soll, dann ist die linke Baugruppe eher das geringere Problem – „KarLoh“ ist nicht mit „Carloft“ zu verwechseln. Es sollte dringend ein Dialog geführt werden, und die Presse möge kleine Konflikte bitte nicht so dramatisieren.

Trägt nicht jeder Studierende und jedes linke Kneipenkollektiv auch zur Gentrifizierung bei?

Linke und Alternative haben schon häufig dazu beigetragen, dass ein Stadtteil interessant und damit attraktiv wird. In der Regel verlieren sie aber den Kampf. Das ist dann aber nicht Schuld dieser linken Pioniere, sondern der Spekulanten, die auf den Zug aufspringen und die Mieten in die Höhe treiben. Gentrifizierung ist eher ein Produkt verlorener Kämpfe und falscher politischer Leitlinien.

Was können Baugruppen und Kneipenkollektive tun, damit sie selbst und sozial Schwache nicht vertrieben werden?

Das, was sie aufgebaut haben, müssen sie erhalten und weiterentwickeln. Das ist in kapitalistischen Verhältnissen natürlich schwierig. Umso wichtiger finde ich es, politisch Druck zu machen und Steuerungsinstrumente einzufordern, damit die Mieten nicht beliebig steigen können. Es gibt Baugruppen, die sind haarscharf an der Grenze zum Bauinvestor. Die meisten sind jedoch sozial engagiert, die häufig auch landeseigene Grundstücke in Erbpacht anvisieren. Das ist sowieso das beste Modell: Berlin würde darüber sogar zusätzliche Einnahmen verbuchen.INTERVIEW: FELIX LEE